Ist die Mehrheit bei der Rathausfrage auf dem Holzweg?
Ach, das Rathaus… Never ending story. Es steht wieder mal auf der Tagesordnung und zwar aufgrund eines Vorschlags des Bürgermeisters, das Rathaus zu den Stadtwerken zu verlegen und nur das Bürgerbüro in der Innenstadt zu belassen. Bezahlen sollen es die Stadtwerke und das neue Rathaus dann an die Stadt vermieten. Und die Politik findet‘s irgendwie gut.
Das Rathaus ist ja immer wieder mal Thema. Schon 2009 – also vor rund 12 Jahren (!) – hatte sich eine Bürgergruppe engagiert und ein Bürgergutachten erstellt. Das damalige Gutachten empfahl den Neubau (bei dem wären wir ja jetzt wieder angelangt) und empfahl vor allem umfangreiche Ideen zu weiteren Nutzungen eines Rathauses im Kern der Stadt. Das alles scheint heute keine Rolle mehr zu spielen, heute geht es nur noch um einen möglichst wirtschaftlichen Betonklotz als Unterkunft für die Verwaltung.
Schade eigentlich. Denn das Ganze wirft bedeutsame Fragen auf. Trotz der vermeintlichen Einigkeit der Kommunalpolitik.
Was passiert mit der Innenstadt?
Das Rathaus in der Innenstadt ist vermutlich die letzte Möglichkeit, noch gestaltend in die Entwicklung der Innenstadt einzuwirken. Das Rathaus könnte Anziehungspunkt für Menschen sein, die sich dann in der Innenstadt aufhalten, dort Veranstaltungen besuchen, einkaufen, die Gastronomie besuchen, dort in einem Coworking-Space arbeiten etc. Ein Rathaus muss eben nicht nur ein Rathaus sein. Ein Rathaus könnte erheblichen, zusätzlichen Nutzen für die Innenstadt sowie die gesamte Stadt bringen. Wenn man nur wollte. Die Bürgergruppe hat bereits erste Ideen dazu geliefert.
Der Bürgermeister beschwichtigt, man solle erst mal den ersten Schritt tun, bevor man über den zweiten nachdenkt. Ganz falsch! Man MUSS die weitere Nutzung des alten Rathauses oder dessen Gelände mitdenken. Alles andere ist fahrlässig. (Es sei denn, man hat weitere 15 Millionen Euro für ein schickes Bürgerzentrum in der Innenstadt in der Hinterhand…)
Gewerbliche Nutzung oder Wohnbebauung sind genannt. Wer daran denkt, den bisherigen Leerständen noch ein paar weitere zufügen zu wollen, hat die Probleme des lokalen Einzelhandels in den Stadtzentren nicht verstanden. Und wie kompatibel ist wohl eine Wohnbebauung mit Festen, Feiern und Veranstaltungen in der Innenstadt? Wie war es bei den letzten Innenstadtfesten? Fünf Minuten pro Stunde muss die Musik aus sein, damit sich die Anwohner erholen können? Frohes Fest kann ich da nur mit schelmischem Unterton wünschen. Auch eine Bauruine in den kommenden Jahrzehnten bis zu einer weiteren Entscheidung, will ich mir für die Innenstadt nicht wirklich vorstellen.
Liebe Politik…
Liebe Politik, der erste Schritt geht nur mit dem zweiten! Mit der Entscheidung um das Rathaus habt Ihr die Möglichkeit, das Leben in der Innenstadt und für die gesamte Stadt maßgeblich zu gestalten. Räume für neue Formen des Arbeitens, Lebensqualität in der (Innen-)Stadt, neue Konzepte für die Nutzung öffentlichen Raums, klimagerechter Stadtumbau etc. – hier ist Eure Gelegenheit, die Zukunft unserer Stadt zu gestalten. Dafür seid Ihr doch angetreten!? Versemmelt es nicht!
Das Ganze ist unausgegoren und zu kurzfristig gedacht. Man kann in einer komplexen Welt nicht mehr Entscheidungen treffen ohne die Konsequenzen zu berücksichtigen. Oder ohne den zweiten Schritt mit zu bedenken. Und hier liegen die negativen Konsequenzen der Entscheidung auf der Hand. Wir Bürgerinnen und Bürger erwarten von Euch eine kluge und zukunftsgewandte Politik. Baut nicht heute die Bausünden von morgen! Und belastet nicht die Stadtwerke! Die brauchen ihre Finanzkraft noch für die Energiewende!
Diesen Leserbrief habe ich am 28.11.2021 verfasst und an das Tageblatt sowie den Südhessen Morgen geschickt. Der Leserbrief ist seit dem 1.12.2021 auch auf dieser Seite lesbar.
Zum Rathaus habe ich bereits mehrfach ein paar Gedanken geäußert:
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