Wie viele Tonnen CO2 spart wohl die neue Fahrradkampagne der Stadt?
(Leserbrief zur Fahrradkampagne von Viernheim in der Woche ab dem 25.3.2022)
Nun braucht es also eine Fahrradkampagne um Viernheim zu erklären, dass Fahrradfahren ganz toll ist und man das doofe Auto gar nicht mehr braucht. Glaubt die Politik eigentlich wirklich, dass es eine Kampagne braucht, um uns Bürgerinnen und Bürgern das mal zu erklären? Nichts gegen das Rad und auch nichts gegen den Versuch, mehr Leute dazu zu bringen mehr Rad zu fahren und auch die Angebote sind schön und lobenswert. Aber bringt uns das alles wirklich im notwendigen Ausmaß weiter?
Jede Bürgerin und jeder Bürger soll bis 2030 rund 3 Tonnen CO2 weniger produzieren. Dazu muss jeder seinen Spritverbrauch mit dem Auto um 15 Prozent reduzieren. Wie sieht das nun bei der Fahrradkampagne 2022 aus? Wie wahrscheinlich ist es, so viele Menschen vom Umstieg vom Auto aufs Fahrrad zu überzeugen, um nennenswerte Mengen an Sprit und CO2 einzusparen?
Und wie soll der Erfolg gemessen werden? Gibt es Zahlen über den verkauften Sprit an Autofahrer in Viernheim oder der Region? Wird wohl nach einer erfolgreichen Kampagne weniger getankt? Werden gar Tankstellen schließen müssen? Wird die Zahl der in Viernheim gemeldeten Autos massiv zurückgehen? Über das Messen des Erfolgs ist bislang nichts bekannt geworden. Offenbar reicht ein „gutes Gefühl“ der Verantwortlichen aus, um den Erfolg zu belegen.
Schauen wir doch mal auf die Situation der Bürgerinnen und Bürger: Rund 40% der Autofahrten sind beruflich bedingt sind. Davon rund die Hälfte machen den Weg zur und von der Arbeit aus, der Rest sind Autofahrten, die der Dienst erfordert. Bei letzteren wird es schon mal schwierig oder kommt die Müllabfuhr demnächst mit dem Lastenrad? Wie schaut es mit dem Weg zur und von der Arbeit aus?
Rund 10.000 Bürgerinnen und Bürger arbeiten in einem Job außerhalb von Viernheim. Das heißt, sie verlassen Viernheim auf dem Weg zur Arbeit und fahren irgendwo hin. Rund 6000 Bürgerinnen und Bürger anderer Städte kommen nach Viernheim, um hier zu arbeiten. Ein paar nutzen für diese Wege auch das Fahrrad. Die meisten Menschen aber müsste man überzeugen, das Auto stehen zu lassen und das Rad oder aber öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Und zwar so viele, dass wir die Wirkung sehen oder messen können.
Keine einfache Aufgabe. Wer bei der BASF arbeitet, ist mit dem Rad locker mal 45 Minuten unterwegs. Im Sommer, wie im Winter, bei Sonne und bei Regen. Das muss man wollen und eine Duschmöglichkeit beim Arbeitgeber wäre auch hilfreich. Bleibt die Fahrt mit der Straßenbahn: Zunächst mal eine halbe Stunde mit der ehrwürdigen OEG (heute Linie 5) zum Hauptbahnhof gezuckelt, dann ggf. mehrfach umsteigen. Von Haus zu Haus ist da schnell über eine Stunde Fahrtzeit zusammen. Das Ganze dann in der morgendlich überfüllten OEG, ggf. nur mit Stehplatz und neben sich die noch halbvollen Bierflaschen von der vorhergehenden Nacht.
Wirklich attraktiv sind die Alternativen für viele also nicht. Für den Freizeitverkehr übrigens auch nicht. Auch da ist das Auto heute oft die bequemere und bessere Wahl für viele Verbindungen.
Eine Verkehrswende ist notwendig! Dazu muss man sich ansehen, wer will wann wohin? Also zum Beispiel morgens um halb acht nach Ludwigshafen oder Frankfurt zur Arbeit. Wenn man mit einer solchen Analyse Zahlen erhält, kann man schauen, welche attraktiven Möglichkeiten man dafür schaffen kann. Ich persönlich würde zum Beispiel eher vom Auto auf den ÖPNV umsteigen, wenn ich in nur 10 Minuten am Mannheimer Hauptbahnhof wäre. Ein verwegener Wunsch? Nicht verwegener als darauf zu setzen, dass ich die Strecke mit dem Fahrrad fahre…
Wenn man für die Verkehrswende nachhaltig wirklich was erreichen wollte, braucht es attraktivere Angebote im ÖPNV! Das Fahrradfahren ist ganz nett und die Kampagne wird vielleicht den einen oder anderen überzeugen. Aber große und vor allem messbare Wirkungen sind nicht zu erwarten. Ich befürchte vielmehr, dass wieder mal Zeit mit dem falschen Ansatz verschwendet wird, und man damit am Ende viel zu wenig erreicht. Löst endlich die Mobilitätsprobleme der Leute und setzt weniger auf romantische Vorstellungen! Hört endlich auf mit dem Kleinklein!
Quellen:
Wofür nutzen wie viele Menschen das Auto?
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