Was versteht die Stadt unter Digitalisierung?
In Bezug auf Digitalisierung hat sich etwas getan bei der Stadtverwaltung. Das ist gut! Aber ist das genug? Die kurze Antwort lautet: Nein!
Gewerbeanmeldung per pdf
Im Herbst letzten Jahres musste man für eine Gewerbeanmeldung noch ein Formular herunterladen, dieses ausfüllen und dann ausgedruckt mit zur Behörde bringen. Dieses wurde dann dort entgegen genommen und die Daten in ein weiteres (vermutlich ähnliches) Formular eingetragen, dieses dann ausgedruckt und zum unterschreiben an die Besucherin oder den Besucher gegeben. Der Verwaltungsprozess sieht also vor, dass die selben Daten zwei mal in irgendeinen Computer eingegeben werden. Einmal von der Bürgerin bzw. dem Bürger und einmal von der Verwaltungsangestellten oder dem Verwaltungansgestellten. Macht sowas Sinn?
KFZ-Anhänger anmelden im Bürgerbüro
Im Bürgerbüro kann man offline inzwischen auch einige Dienste abwickeln, für die sonst Gänge auf andere Behörden notwendig waren. Zum Beispiel viele Erledigungen, für die sonst der Gang auf die KFZ-Zulassungsstelle des Kreises notwendig gewsen waren, gehen heute auch im Bürgerbüro des Rathauses. Das ist noch nicht online, aber immerhin ein Service des Kreises, den das Bürgerbüro online nutzen kann.
Manche Dinge gehen hier aber auch nicht, wie beispielsweise das Ummelden eines KFZ-Anhängers von jemandem außerhalb des Landkreises auf einen Viernheimer Bürger. Die Begründung lautet, dass das Bürgerbüro nicht auf die Zulassungsdaten des anderen Landkreises zugreifen darf. Es ist zu hoffen, dass solche Hürden im föderalen System Deutschlands auch irgendwann zu lösen sind – ganz zu schweigen davon, dass ich auch als Bürger, dies endlich online tun kann. So oder so: wir Bürgerinnen und Bürger müssen auch in diesem Fall ins Bürgerbüro. Online geht hier noch nichts.
Zuschüsse per pdf beantragen
Ein weiteres Beispiel: In der Sitzung des Sozial- und Kulturausschusses im November 2019 wurde die Frage eingebracht, warum man ein Formular für die Einreichung von Zuschüssen nicht online einreichen könne. Antwort der Verwaltung (nachzulesen im Protokoll der Sitzung):
Das Formular „Zuschuss Freizeiten-Lager-Seminare-Bildungsfahrten“ steht im PDF-Format auf www.viernheim.de unter ANLIEGEN A-Z bei „Z“ unter Zuschüsse an Jugendgruppen für Jugendpflegefahrten zur Verfügung.
Argumentiert wird damit, dass die „von den Teilnehmern/-innen eigenhändig unterschriebene Teilnehmerliste incl. der Quittierung durch die Beherbergungsstätte“ notwendig ist. „Daher kann das Formular nicht digital ausgefüllt werden.“
Vermutlich wird man spätestens in ein paar Jahren bei der Stadtverwaltung auf die Idee kommen, dass man dieses Unterschriftenblatt ja auch einscannen und mit dem Formular einsenden kann. Dann wird man sich wundern, warum man nicht schon früher auf die Idee kam. Anfang 2020 ist man hier aber noch nicht so weit.
Hinweise auf lokales Einkaufen während Corona
Viele Kommunen haben während des Lockdowns auf die Angebote der lokalen Geschäfte und der Gastronomie aufmerksam gemacht. Viernheim hat hierzu die Aktion „Viernheimer für Viernheim – Unsere Stadt braucht uns jetzt!“ ins Leben gerufen und den Unternehmern angeboten sich in eine Liste eintragen zu lassen, die dann als pdf über die Webseite verteilt wird. Die zugehörige Seite gibt es heute noch, alle Links, die weitere Infos versprechen, gehen aktuell (2.8.2020) irgendwo anders hin.
Andere Kommunen haben das Problem auch gelöst – allerdings mit eigenen Webseiten, die sie während des Lockdowns herausgebracht haben oder die sogar vorher schon bestanden haben. Auch die Metropolregion Rhein-Neckar hat hier zeitgemäß mit einer Webseite geantwortet. Beispiele wie „Heidelberg kauft lokal„, „Visit Mannheim„, „Stadtmarketing Lampertheim„, „Karlsruhe erleben“ oder „gemeinsam-rhein-neckar.de“ zeigen, dass es auch ohne digitalen Bruch geht. (Und man kann, abgesehen vom digitalen Bruch, auch Stadtmarketing damit betreiben…)
Anfänge der Digitalisierung von vor 20 Jahren
Formulare oder pdfs online herunterladen zu können Find phone , wurde vor 15 bis 20 Jahren in der Fachwelt als die allerallerallererste Stufe einer möglichen Digitalisierung benannt. Heute sollte man hier weiter sein – vor allem wenn man sich anschaut, was in der Unternehmenswelt heute möglich ist. Und sogar im Staatswesen gibt es Positivbeispiele wie Estland oder auch die skandinavischen Länder, die hier weit voran sind.
Gerade Estland geht hier voran und verkauft seine entwickelte Technologie bereits in alle Welt. In Estland ist es möglich, alle Kontake mit dem Staat – ob zur Zahlung eines Strafzettels oder zur Beantragung von Kindergeld – über ein einziges und sehr benutzerfreundliches Portal abzuwickeln. Davon sind wir in Viernheim als auch in Deutschland noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte entfernt.
Stand heute
Heute (Stand 26.7.2010) kann man auf der Webseite viernheim.de bereits einige Dienste online abwickeln. Eine Seite zu den Onlinediensten weist diese aus. Hier hat sich also bereits etwas getan, wobei ehrlicherweise ein Großteil der Dienste auf die digitalen Angebote anderer Behörden verweisen, wie das Angebot des Bundesamts für Justiz oder den ZAKB. Mit digitalen Diensten der Stadt Viernheim sieht es also doch eher mau aus.
Corona hat gezeigt, dass es viel einfacher ist, mit derartigen Krisen umzugeghen, je mehr solche Verrichtungen online ausgeführt werden können. Online arbeiten, online einkaufen, online Bestellprozesse abwickeln und und und sind heute möglich. Die Stadtverwaltung sollte schnellstmöglich auf den aktuellen Stand gebracht werden.
Viele Unternehmen haben Corona als Anlass genommen, sich zu digitalisieren. Einzelhändler haben innerhalb weniger Tage eigene Onlineshops aus dem Boden gestampft oder auf größeren Plattformen wie Amazon & Co verkauft. Unternehmen anderer Branchen haben ebenfalls kurzfristig reagiert. Die Stadt hat einfach das Bürgerbüro geschlossen und durch ein komplizietes Verfahren mit telefonischer Voranmeldung, einzelnen Einlass ins Rathaus, persönlichem Geleit von der Tür bis zum Platz der Bearbeiterin und dann die Klärung des Begehrens hinter einem „Spuckschutz“. Unternehmen können sich das nicht erlauben, ihre Existenz hängt daran. Die Stadt kann es sich offenbar erlauben.
Ein einfacherer Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu ihrer Verwaltung sowie eine effizientere Abwicklung der internen Prozesse sind dabei die Ziele. Effiziente und automatisierte Prozesse bedeuten zudem Einsparungen bei der Personalkapazität, die dann für andere Aufgaben, zur Verfügung steht.
Mir ist dabei auch klar, dass die Stadtverwaltung nicht alle Prozesse selbst digitalisieren kann. Dies wird man syncronisieren müssen mit den Digitalisierungsbestrebungen auf Kreis- und Landesebene, von denen die eigenen Prozesse ggf. abhängig sind. Aber das was lokal getan werden kann, sollte eben auch getan werden.
Wo ist nun das Problem?
Das Problem besteht darin, dass die Stadt die Chancen der Digitalisierung gar nicht auf dem Schirm zu haben scheint. Es wird zwar intern mit Computersystemen gearbeitet und das schon seit vielen Jahren. Aber die digitale Schnittstelle zu den Bürgerinnen und Bürgern ist nicht existent! In Viernheim müssen die Bürgerinnen und Bürger laufen, nicht die Daten! Wie es um eine Verknüpfung der Systeme, eine gemeinsame Datenbasis etc. bestellt ist, ist auch nicht bekannt. Wie viel Papier wird in der Stadtverwaltung noch hin und her getragen? Oder zu anderen Verwaltungen?
Und das Thema Digitalisierung geht ja über die Digitalisierung der Prozesse im Rathaus hinaus. Wie sieht es aus mit der smarten Stadt? Dazu ist aber mal gar nichts in Sicht.
Mein Wunsch zur Kommunalwahl
Als Bürger wünsche ich mir https://becejprevoz.com/zyrova/index.html , mehr von solchen Bemühungen in der Zeitung, in Onlinemedien oder auf viernheim.de zu lesen und ich möchte gerne die Fortschritte sehen und ausprobieren können. Ich hatte letztes Jahr die Gelegenheit gehabt, mir in Estland deren Entwicklung sowie deren Bürgerportal einmal persönlich und vor Ort anzuschauen. Andere nordische Länder sind ebenfalls viel weiter als wir. Dies wünsche ich mir für ganz Deutschland und Viernheim. Ein einziges Portal für alle Verrichtungen im Umgang mit dem Staat – das ist doch mal eine Sache! Da sind die stadt-eigenen Onlinedienste noch weit davon entfernt. Optisch, von der einfachen Benutzbarkeit her und von der Integration der verschiedenen Services.
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