Was kostet eigentlich ein Kindergarten? (mit Updates!)
Viernheim bekommt einen neuen Kindergarten. Dazu wird der bestehende Kindergarten am Kapellenberg durch einen Anbau erweitert. Dadurch sollen 50 neue Plätze auf ca 375 Quadratmetern neuer Fläche entstehen. Das ganze kostet vier Millionen Euro. Klingt ganz schön viel, oder? Was kostet eigentlich ein Kindergarten? Sind 4 Millionen angemessen? Bei 50 Kindern sind das 80.000 Euro pro Kind und Platz! Und 10666,- Euro pro Quadratmeter!
Wenn man nun im Internet etwas recherchiert, findet man Beträge zwischen 30.000 Euro pro Kind und Platz bis hin zu 65.000 Euro. Mit 80.000 Euro pro Kind und Platz liegen die Planungen in Viernheim im Vergleich zu anderen an der Spitze. Verne wieder mal vorne.
Genauso ist es mit den Quadratmeterpreisen. Das neu gebaute Rathaus hat rund 3400 Euro pro Quadratmeter gekostet, hätte man hier das Erdgeschoss für einen Kindergarten genutzt, hätte man schon mal sparen können. Die luxuriösen Wohnungen im Mehrfamilienhaus im Bannholzgraben sollen rund 6000 Euro pro Quadratmeter kosten, neue Wohnungen auch in Weinheim oder anderswo bekommt man je nach Lage ebenfalls für rund 6000 Euro. Das ist fürs Wohnen schon viel Geld und klar ist, Bauen ist teuer geworden. Aber auch in diesem einfachen Vergleich sind über 10000 Euro pro Quadratmeter für einen Kindergarten einfach viel Geld.
Jetzt ist Viernheim ja nicht unerfahren im Bau von Kindergärten. In den letzten Jahren wurden bereits einige neue Gebäude für Kindergärten gebaut. So hat beispielsweise der Kindergarten Entdeckerland in der Walter-Gropius-Allee auch 4 Millionen gekostet. Allerdings für rund 110 Plätze, also mehr als doppelt so viele wie aktuell am Kapellenberg geplant.
Unterhält man sich mit Architekten, Handwerkern oder anderen Baufachleuten, wird das Bild bestätigt. Vier Millionen sind ein hoher Preis für das, was bisher geplant ist. Auf die Schnelle wollte verständlicherweise keiner einen Preis nennen, den er für realistisch hält, aber die 4 Millionen konnte keiner so richtig nachvollziehen. Aber dafür erfährt man andere interessante Dinge. Zum Beispiel ist es für viele regionale Baufachleute nicht attraktiv für die Stadt zu bauen. Späte Änderungen, Sonderwünsche nach Vertragsschluss und auch das Zahlungsverhalten sind nicht sonderlich attraktiv. Vielleicht liegt hier ein Grund dafür, dass so wenige Angebote auf Ausschreibungen eingehen?
Vermutlich wird man im konkreten Fall nicht mehr viel ändern können. Aber bei diesen Preisen sollte man schon einmal grundsätzlich nachdenken, was man noch tun kann, wenn die Leistungen auf dem freien Markt irgendwann einfach zu teuer werden. Hat man das Projekt wohl mit den in Viernheim ansässigen Architekten besprochen? Vielleicht hätten die dazu ein paar Ideen? Was wohl die Baufachbereiche der umliegenden Hochschulen in Darmstadt oder Karlsruhe dazu beitragen könnten? Oder wie wäre es mit einem eigens eingestellten Architekten, der die aktuellen und kommenden Bauten plant und abwickelt? Am Kapellenberg wird ja nicht der letzte Kindergarten in Viernheim gebaut. Oder man schaut mal, wo andere günstig gebaut haben und guckt hier einfach ein paar Tricks ab? Ich hatte ja bei den Kosten für das neue Rathaus schon den Verwaltungscampus der Alnatura aus Holz und Lehm angeführt, der nur 1800,- Euro pro Quadratmeter gekostet hat – zugegebenermaßen vor ein paar Jahren.
Ich weiß nicht, was die Fachleute der Stadt dazu alles versucht haben. Fakt ist, der Kindergarten wird ein teurer Spaß und Lösungen für die Zukunft müssen her. Sonst können wir uns weitere Kindergärten (und anderes) nicht mehr leisten. Oder uns ist für die Kinder einfach nichts zu teuer…
Update: Der Erste Stadtrat Jörg Scheidel reagiert auf meinen Leserbrief – nachzulesen auf Viernheim Online oder im Tageblatt vom 20. Januar 2024
Meine Reaktion auf den Beitrag von Jörg Scheidel:
Kindergartenanbau: Auch mit Rechentricks wird’s nicht preiswerter
Sehr geehrter Herr Erster Stadtrat, lieber Jörg Scheidel,
zunächst einmal herzlichen Dank für Deine Reaktion und den Versuch der Aufklärung über die Kosten des Anbaus am Kindergarten Kapellenberg. Es ist für Bürger immer schön, wenn auf ihre Eingaben dann auch reagiert und ggf. aufgeklärt wird. Ich kenne zu viele, die sich an Stadt, Stadtwerke und Verwaltungsleitung wenden und deren Ansinnen einfach ignoriert werden. Insofern ein ausgesprochenes Dankeschön für Deine Reaktion.
Du beschreibst in Deiner Reaktion eine nette „Raum-Rochade“: Die eine Gruppe aus den Räumen des alten Kindergartens kommt in einen der drei neuen Räume des Anbaus. In deren alten Gruppenraum kommt dann das Bistro, welches vorher als Teil eines Gruppenraums des offenen Konzepts schon existierte. Das Büro der Leitung zieht in den Anbau, der Mitarbeiteraufenthaltsraum in den Keller und die Haustechnik unters Dach.
Nach Raum-Rochade immer noch das gleiche Endergebnis
In der Folge sitzen dann im neuen Anbau 75 Kinder und schon sind die Kosten für den neuen Anbau pro Kind reduziert. Allerdings fallen im alten Teil des Kindergartens 25 Plätze weg. Wir geben also nach wie vor 4 Millionen Euro aus und gewinnen nach wie vor nur 50 neue Plätze.
Wie wäre es, gleich 75 neue Kinder unterzubringen?
Sicherlich gewinnt der Kindergarten durch den großen Spielflur und ein eigenes Bistro als Ganzes. Aber die Finanzen sind knapp und nach Deinen Ausführungen fehlen insgesamt über 100 Plätze. Wäre es da nicht konsequent, wir bringen tatsächlich 75 NEUE Kinder in dem Anbau unter? Offenbar ist das ja möglich. Dann hätten wir die Kosten pro Platz wirklich reduziert und gleichzeitig mehr Plätze geschaffen, um dem Bedarf nachzukommen. Dann würden wir mit den vier Millionen wirklich mehr erreichen und die Eltern weiterer 25 Kinder wären froh, dass sie nun doch noch zum Zuge kommen.
Schön gerechnet oder schöngerechnet?
Dann rechnest Du aus den vier Millionen nochmal 800.000 Euro für den Umbau des Bestandsbaus heraus und sagst, dass sich die Kosten für den Anbau damit eigentlich reduzieren. Aber sind diese Umbauten auch notwendig, wenn es den Anbau nicht gäbe? Droht die Schließung des Kindergartens Kapellenberg durch das Jugendamt, wenn das nicht investiert wird? In den Plänen sehe ich eine neue Außentreppe, ein Kellerabgang wird verschlossen, die Haustechnik wandert in den Dachraum, die Küche wird vergrößert und diverses mehr. Vermutlich ist es dem Jugendamt herzlich egal wo die Haustechnik untergebracht ist. Diese Kosten würden NICHT anfallen, wenn für 4 Millionen an anderem Standort ein Kindergarten für 75 oder mehr Kinder entstehen würde. Diese bei Deiner Rechnung herauszunehmen und damit so zu tun, als sei der Kindergarten eigentlich viel günstiger, hat schon etwas von Schönrechnerei.
Aber es ist richtig, das alles wäre auch eine Verbesserung für den bestehenden Kindergartenstandort Kapellenberg! Allerdings scheint es mir doch eher der Versuch zu sein, die hohen Kosten zu relativieren. Denn wenn es um die Qualitätsverbesserung gehen würde, sind sicherlich alle Immobilien der Kindergärten auf Zukunftstauglichkeit geprüft und Prioritäten bei der Modernisierung aller Kindergartenstandorte gesetzt worden. Und darüber finde ich in den Protokollen der entsprechenden Sitzungen nun so gar nichts.
Vielleicht sind aber insgesamt 75 zusätzliche Kinder zu viel für den Standort Kapellenberg? Dann wäre man mit einem anderen Standort, 4 Millionen Bausumme für 75 oder mehr Kindern besser bedient. Oder sollte das schon die allerallerallerletzte Möglichkeit für Viernheim sein, überhaupt neue Kindergartenplätze zu schaffen?
Fazit
Ich finde es richtig und absolut wichtig, die in Viernheim notwendigen Plätze für die Kinderbetreuung einzurichten. Vor allem für die Kinder, ihre Eltern und letztendlich auch für uns als Gesellschaft. Zuallererst brauchen wir Plätze für alle und dann müssen wir schauen, ob wir das in der richtigen Qualität anbieten: Inhalte und Konzepte, aber eben auch mehr Platz, größere Küchen und Gemeinschaftsräume etc. Und die Kosten müssen im richtigen Verhältnis stehen zu dem was dann als Ergebnis herauskommt. Vielleicht müsste man sich ernsthaft mal damit beschäftigen, wie man in Viernheim besser und preiswerter baut? Rathaus, Harbighalle, Kindergärten, Wohnungen? Alles Beispiele für teures Bauen! In den vergangenen Leserbriefen hatte ich immer wieder mal Gegenbeispiele von außerhalb Viernheims dazu benannt. Offenbar kriegen andere das besser hin.
Links:
Link auf den Beitrag des Ersten Stadtrats Jörg Scheidel auf Viernheim Online
Informationsvorlage für den Bauausschuss
Weitere Dokumente zur Erweiterung der Kindertagesstätte Kapellenberg im Ratsinformationssystem der Stadt
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