Super CO2-Bilanz schöngerechnet?
Haben Sie die Berichterstattung der Stadt zu den erfreulichen CO2-Einsparungen in Viernheim gesehen? Demnach sollen die CO2-Emissionen um rund 22 Prozent zurückgegangen sein. Toll, nicht? Und die Rückgänge sind besser als der Bundesdurchschnitt. Das ist in den Pressemitteilungen zum Klimaschutz immer ganz wichtig: Besser sein als die anderen. Aber sind die Entwicklungen wirklich so positiv?
Der Vergleich mit Zahlen aus öffentlich zugänglichen Quellen lassen Zweifel aufkommen. Es wirkt schöngerechnet. Nachfragen im Brundtlandbüro ergaben, dass es zudem keinen Bericht des beauftragten Beratungsunternehmens gibt, anhand dessen man die Zahlen nachvollziehen könnte. Wie hat das Beratungsunternehmen wohl die Berechnungen gegenüber der Stadt kommuniziert? Telefonisch? Wie haben die wohl gearbeitet? Mit Kopfrechnen?
Verglichen wurde das Jahr 2016 mit dem Jahr 2022. Verglichen wurden nur die Zahlen für den Strom- und Gasverbrauch und das Verkehrsaufkommen, wobei hier schon nicht mehr so klar ist, woher die Zahlen eigentlich stammen, denn die Zahl der angemeldeten Autos hat sich in der Zeit nicht wirklich verändert.
Dem Vernehmen nach ist der Stromverbrauch auf 100 Gigawattstunden zurückgegangen. Sonst haben wir wohl so 110 Gigawattstunden Stromverbrauch, wobei die Zahl nicht verbürgt ist. Das entspräche dann einer Einsparung von rund 9 Prozent und wäre durchaus beachtlich. Da würde dann auch entsprechend CO2 eingespart werden.
Das große Problem ist aber das Jahr 2022. Es ist das Energiekrisenjahr und die Preise für Strom und Gas haben sich in Viernheim verdoppelt. Die Privathaushalte konnten es sich nicht mehr leisten, die Heizungen voll aufzudrehen, viele Gewerbebetriebe haben energieintensive Produktionen geschlossen, Gastronomen haben ihre Gasträume verkleinert, um nicht so viel beheizen und beleuchten zu müssen etc. Für viele bedeutete diese Zeit eine persönliche Krise und die Unsicherheit, wie man die Energiepreise in Zukunft bezahlen kann.
Aus diesem besonderen Krisenjahr einen Trend abzuleiten, halte ich für ziemlich gewagt. Die Preise für Energie sind wieder gesunken und das Leben hat sich wieder normalisiert. Einen Hinweis auf die Entwicklung könnten die Verbrauchszahlen des Jahres 2023 geben. Diese aber werden nicht veröffentlicht – aus Wettbewerbsgründen, wie die Stadtwerke sagen. Nunja, vielleicht meinen sie ja den Wettbewerb der Stadt mit dem Bund?
Und der Vergleich mit dem Bundesdurchschnitt? Im Bundesdurchschnitt werden zunächst einmal ALLE CO2-Emissionen erfasst und nicht nur die für Strom und Gas. Darin enthalten sind auch die Energieverbräuche der energieintensiven Industrie wie zum Beispiel Aluminiumhütten, Glasfabriken, Zementwerke, Produktionswerke und andere. Diese gibt es in Viernheim nicht, wobei wir deren Produkte natürlich auch in Viernheim verbrauchen. In diesem Sinne lassen wir anderswo CO2 entstehen und tun so, als wären wir selbst super bei den Einsparungen von CO2. Der Vergleich mit dem Bund ist also ziemlich unvollständig und die Einsparungen von 22 Prozent in Viernheim im Vergleich zu den angenommenen 16 Prozent beim Bund relativieren sich erheblich. Wie viel besser wir tatsächlich sind, wissen wir also nicht.
Alles in allem ist das ein schwaches Bild und ein durchschaubarer Versuch der Selbstdarstellung der Stadt. Es gibt keinen Bericht, keine Transparenz, keine Erklärungen, woher die Zahlen kommen und auch kein Hinweis auf die besondere Situation des Jahres 2022. Seriös ist anders. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es tatsächlich keinen Bericht gibt. Aber egal, ob dieser nur nicht öffentlich gemacht werden soll oder es tatsächlich keinen gibt: in Zeiten von Fake-News, Demokratiemüdigkeit, Skepsis in Bezug auf das, was die Politik wirklich leistet, ist diese Art von Pressearbeit eine Katastrophe.
Es wäre schön, wenn endlich ein transparentes Monitoring aufgebaut würde, an dem man ablesen kann, wo wir wirklich stehen. Sicherlich werden uns dafür auch nicht alle Zahlen bis in die Tiefe zur Verfügung stehen, aber man kann doch wenigstens an der Entwicklung in den einzelnen Bereichen absehen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Mein Aufruf an die Stadt und die Politik: Macht die Zahlen öffentlich, sicherlich finden sich in der engagierten Bürgerschaft Menschen, die daraus ein transparentes Monitoring aufbauen werden.
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