Personalausweis 2020
Im Mai 2020 hatte ich schon einen Besuch im Rathaus. Im September erfolgte der zweite.
Neues Thema, neues Glück!
September 2020: Mein Personalausweis läuft demnächst ab. Das Bürgerbüro schreibt mir, dass mein Ausweis abläuft. Wow, das ist wirklich mal ein toller Service!
Ich schreibe eine Mail ans Bürgerbüro: Ich hätte gerne einen! Muss ich auch, denn man ist in Deutschland verpflichtet, sich ausweisen zu können.
Corona geht noch um. Der strenge Lockdown ist zwar erst mal aufgehoben, aber es ist sinnvoll, allzu viele Kontakte zu vermeiden. Einen Personalausweis bestellen, sollte auch so gehen. Die Daten haben sie offenbar, sonst hätten Sie mir das Schreiben nicht schicken können.
Ich rufe im Bürgerbüro an und vereinbare zunächst: einen Termin. Natürlich! Ein aktuelles Bild soll ich mitbringen und dann wollen sie natürlich Geld. In bar! In bar? In dem Zahlungsmittel, welches nach Aussage mancher Politiker und nach Meinung des IWF nur Banditen und Terroristen verwenden?
Die Supermärkte bitten ihre Kundinnen und Kunden darum, bargeldlos zu bezahlen, um das Infektionsrisiko über das Bargeld zu minimieren. Bei der Stadt geht nur Barzahlung. Trotz Infektionsrisiko.
Und natürlich muss ich kommen, das Bargeld bringen und das Foto auch. Foto habe ich noch. In Dateiform. Wo kann ich das nun ausdrucken? Ok, kriege ich hin. Kann ich das nicht online bestellen, Bild hochladen und bezahlen? Hei, wir haben Corona und außerdem ist das mit dem Hochladen und online bezahlen heute schon Normalität!? Eigentlich.
Besuch im Bürgerbüro
Ich bin gut gerüstet. Ich habe einen Termin, das vormals digitale Foto ist ordentlich ausgedruckt und Bargeld habe ich auch extra von der Bank geholt. Was soll da noch schief gehen?
Nichts geht schief: ich gebe das Bild ab, die Mitarbeiterin füllt das Formular aus, klebt mein Bild auf und dann kommt es: sie scannt das Formular ein! Das heißt, das vormals digitale Bild, das nun in Papierform auf dem Formular klebt, die händisch auf dem Formular eingetragenen Daten aus dem alten Personalausweis – alles das wird nun gescannt und damit in eine digitale Form übertragen? Ich bin heute gut gelaunt und halte den Mund.
Jetzt noch bezahlen. In bar. Mit Karte kommt demnächst. Heißt es. (Ich vermute, die Mitarbeiterin bringt nach Feierabend erst mal das Geld zur Bank…)
Dann ein bis zwei Wochen später gibts Post mit Infos über die neuen digitalen Funktionen des neuen Personalausweises. Ich ignoriere das Schreiben. Warum soll ich es lesen? Ich glaube nicht, dass der neue Ausweis Fotos ausdrucken, Formulare händisch ausfüllen, das Ganze dann einscannen und irgendwo hin übertragen kann. Also wozu?
Und war da nicht was von wegen die neuen digitalen Funktionen sind unsicher? Ist schon einige Jahre her, aber in einem Blog zum Thema Sicherheit als auch auf Golem, einem IT-News-Portal, wurde darüber geschrieben. Ich glaube, ich lasse die neuen PIN und TAN lieber ungeöffnet. So kann ich wenigstens nachweisen, dass ich sie nicht genutzt haben kann.
Den Ausweis hole ich demnächst ab. Den Termin habe ich schon!
Ein Fazit?
Hmm! Jetzt liest sich das ja alles ganz spaßig und ich versichere, ich kann es auch gut zur Erheiterung aller in größerem Kreise erzählen – aber eigentlich zeigt sich hier doch schon die ganze Tragik.
Einfache Verwaltungsverfahren – und vermutlich jede Mene anderer auch – sind nicht digital abwickelbar. Jetzt haben wir mit Corona nochmal besondere Zeiten, in denen es besonders auffällt, aber technisch könnten wir viel weiter sein und vieles viel einfacher machen. Für die Verwaltung UND für die Bürgerin und den Bürger.
Klar, einen Personalausweis muss man vielleicht persönlich unterschreiben und vielleicht muss auch geprüft werden, ob der, der ihn am Ende erhält, auch der ist, den er darstellt. Dafür wäre dann aber nur ein einziger Besuch notwendig gewesen. Das Verfahren an sich wird damit nicht sicherer.
Die Beantragung des Ausweises, das Hochladen eines Bildes, das automatische Prüfen des Bildes auf Biometrietauglichkeit, meinetwegen eine eingescannte Unterschrift und das Onlinebezahlen sollten heute doch auch über das Internet möglich sein. In anderen Ländern geht das! Das weiß ich!
Irgendwas scheint ja digital abgewickelt zu werden, sonst müssten keine Daten in einen Computer eingegeben oder Formulare eingescannt werden. Aber wichtig ist doch, dass der gesamte Prozess so abgewickelt wird, wie man das heute macht und machen kann. Ich kann Bankkonten online und ohne Besuch einer Bank eröffnen, kann hohe Geldbeträge verschieben, kann bargeldlos mit einer Plastikkarte bezahlen, die ich zudem in einem normalen Brief zugeschickt bekam. Wo ist denn das Problem?
So einfach ist das nicht
„Ja, so einfach ist das nicht, wie Du Dir das vorstellst!“. Doch ist es! Und ich würde jede Wette eingehen, dass es in 10 oder 20 Jahren auch in der Stadtverwaltung geht. Vielleicht sogar schon früher. Und dann werden wir gemeinsam zurückschauen und feststellen, wie unsinnig diese Prozesse im Jahr 2020 abgelaufen sind und wie naiv wir waren, als wir sagten, dass das so einfach nicht geht. Schaut mal in die skandinavischen Länder oder nach Estland, was da schon alles geht. Das alles wird irgendwann auch bei uns gehen. Irgendwann.
Bürgerorientiert?
Und zum guten Schluss möchte ich noch anmerken, dass das Ganze auch nicht wirklich bürgerorientiert ist. Es geht der Verwaltung offenbar nicht darum, den besten, heute möglichen Serivce anzubieten. So dass die Daten laufen und nicht der Mensch. Das Anschreiben wegen dem Ablauf des Ausweises ist nett und ein toller Serivce. Aber es muss eben auch weiter gehen. Und wir Bürgerinnen und Bürger kennen aus unserem sonstigen Umfeld noch ganz andere Dinge, die heute digital abgewickelt werden können. Wenn Verwaltung so ginge, wäre sie dann vielleicht auch irgendwann mal wirklich bürgerorientiert!
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