MdL Alexander Bauer besucht Viernheim
Offener Brief an den Landtagsabgeordneten der CDU, Alexander Bauer
Lieber Alexander Bauer,
es ist schön, dass Sie sich für die beispielhaften Viernheimer Bauprojekte interessieren! Ich vermute mal, Sie ahnen, dass Ihnen vor allem die positive Seite dargestellt wurde? Es gibt aber auch andere Lesarten der verschiedenen Projekte. Auf zwei Projekte will ich kurz eingehen.
Zum einen haben Sie das neue Rathaus angesehen und befunden, dass mit dem Rathaus die Quadratur des Kreises gelungen sein soll. Viernheim hat vor 25 Jahren den Titel Brundtlandstadt vom Land Hessen erhalten für vorbildliche umweltpolitische Leistungen. Seit 25 Jahren befasst sich die Stadt nun mit dem Thema Umwelt- und Klimaschutz und kauft dann ein Rathaus aus Beton und Stahl? Beton und Stahl gelten als die größten Klimakiller. Die Ellipse ist also klimatechnisch keine runde Sache!
Als Landtagsabgeordneter werden Sie vielleicht andere Bauprojekte im Land kennen. Der neue Verwaltungscampus der Firma Alnatura in Darmstadt ist weitgehend aus Holz und Lehm gebaut. Beides CO2-freundlichere Baustoffe und Holz vor allem ein langjähriger CO2-Speicher. Vorbildlich hätte ich in Viernheim ein Rathaus aus Holz und Lehm gefunden – vor allem in einer Stadt, die den Klimaschutz gerne im Munde führt. Beim Alnaturacampus gab es einen Run von Interessierten, die sich die fertigen Gebäude gerne anschauen wollten. Ob die Architekturcommunity aus Nah und Fern auch zur Ellipse pilgern wird? Dafür gibt es keinen Grund!
Das dritte Argument gegen eine vermeintliche Vorbildlichkeit des neuen Rathauses sind die Kosten für den Erwerb. Genau auf dem Höhepunkt der Immobilienblase und kurz vor dem großflächigen Fallen der Immobilienpreise kauft die Stadt dieses Haus. Jetzt konnte niemand die Entwicklung voraussehen
, aber aus jetziger Sicht, war der Kaufzeitpunkt höchst ungünstig. Als Preis werden rund 3400 Euro pro Quadratmeter bezahlt und es kommen noch lauter weitere Kosten hinzu wie Maklergebühren, Kosten für die technische Innenausstattung etc. Wir hatte vor einigen Monaten bereits ein Angebot von einem Viernheimer Unternehmer für den selben Quadratmeterpreis. Hier war aber alles – sogar die Kosten für den Umzug – bereits enthalten. Das hat man aber abgelehnt. Und vielleicht noch kurz als Vergleich den Quadratmeterpreis der Verwaltungsgebäude von Alnatura: hier kann man in Architekturzeitschriften den Preis von 1800 Euro lesen pro Quadratmeter. Also etwas mehr als die Hälfte dessen was man in Viernheim bezahlt hat. Doch nicht so vorbildlich, oder?Auch von der zweiten Station waren Sie der Presse nach beeindruckt: vom Tivolipark. Hier hat die Stadt in der Tat nach vielen Jahren des Nichtstuns endlich mal ein paar Euro (vor allem fremdes Geld über Zuschüsse) in die Hand genommen und den Park saniert. Hat man Ihnen auch gesagt, wie lange das gedauert hat, was da im Prozess versemmelt wurde und was das alles gekostet hat? Notwendig war dazu ein umfassendes Konzept eines Beratungsunternehmens. Das was sie sehen ist das Ergebnis. Nur: auch vorher gab es Grünflächen, Wege, ein paar Bäume und einen Spielplatz. Wie jetzt auch. Das Problem war eher, dass der Park unter dem Vorwand, einen Raum für Bienen zu schaffen, nicht gepflegt wurde und null Aufenthaltsqualität hatte. Kritisch betrachtet hat sich „konzeptionell“ nichts wirklich geändert. Im Tivolipark wird es darauf ankommen, ob die Stadt die Flächen regelmäßig pflegt und wie sie sie bespielt. Ein Platz für Konzerte und Aktionen beispielsweise werden Sie sicherlich selbst vermisst haben.
Lieber Herr Bauer, ich weiß aus der Vergangenheit
, dass sie nicht nur wegen den anstehenden Wahlen in Viernheim waren, sondern regelmäßig im Land und im Wahlkreis unterwegs sind. Da ist gut. Kommen Sie in einem Dreivierteljahr oder in einem Jahr nochmal, am besten unangekündigt und „under cover“ und schauen Sie, was dann aus dem Tivolipark geworden ist. Ich hoffe selbst, dass es die Stadt diesmal besser macht, aber Zweifel daran habe nicht nur ich.Ihr Fazit „Viernheim ist in Bewegung“ kann ich angesichts dieser Beispiele echt nicht nachvollziehen. Die Diskussion ums Rathaus geht seit über 20 Jahren. Das ist nicht „in Bewegung“! Und wenn das Ergebnis dann noch den sonst gerne postulierten Klimazielen widerspricht, das Ergebnis teuer ist und das ganze über einen so langen Zeitraum ging, der ja auch Geld gekostet hat, kann ich Ihr Fazit nicht verstehen. Aber gut, man hat Ihnen vermutlich auch nicht alles gesagt…
Lieber Herr Bauer, ich wünsche Ihnen (wie auch den Kandidaten der anderen Parteien) bei der Landtagswahl viel Erfolg und hoffe auf nachhaltige Bewegung in Viernheim und im ganzen Land! Vielleicht kann ein etwas kritischerer Blick dabei helfen, wirklich in Bewegung zu kommen?
Beste Grüße
Wolfram Theymann
Update:
Herr Bauer hat inzwischen reagiert und schreibt:
Sehr geehrter Herr Theymann,
herzlichen Dank für Ihre offenen Worte und diese etwas andere Sicht der Dinge. Solche Rückmeldungen aus der Bevölkerung leisten immer einen Beitrag zur eigenen Meinungsbildung.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Bauer