Mal kurz vor Jahresschluss noch die Steuern um 30 Prozent erhöhen
Die Viernheimer Politik überlegt, die Grundsteuer um mehr als 30 Prozent zu erhöhen. Schon 2024 war die Grundsteuer in Viernheim hoch und höher als die der meisten umliegenden Städte. Jetzt sollen nochmal 30 Prozent oben drauf. Verne vorne halt. Damit werden alle, die in Viernheim wohnen, belastet. Immobilienbesitzerinnen direkt, Mieter zahlen die Grundsteuer über die Nebenkosten. Alle werden also mehr bezahlen!
Die Diskussion kam erst zwei Wochen vor der Verabschiedung des städtischen Haushalts für das kommende Jahr auf. Alle Verantwortlichen sind natürlich angemessen entsetzt. Nur sehen kommen hat es niemand. Weder der Bürgermeister als der für Finanzen zuständige Dezernent, noch der Erste Stadtrat, für den der Haushalt noch vor wenigen Wochen ein solides Werk war, noch die Stadtverordneten, deren Aufgabe es ist, die Verwaltung und ihre Spitze zu kontrollieren.
Was war passiert? Das Land Hessen hat beschlossen, den Städten weniger Steuergeld abzugeben und der Kreis will mehr Geld von der Stadt haben für die schönen Schulen in Viernheim und anderes. Bumms, und schon fehlen weitere drei Millionen neben den 3,7 Millionen, mit deren Fehlen man eh schon geplant hat. Doch warum kommt das so plötzlich und erst zwei Wochen vor der wichtigen Verabschiedung des Haushalts in Viernheim? Verdrängung? Vorsatz? Inkompetenz? Reden Bürgermeister (SPD) und Erster Stadtrat (CDU) eigentlich mit ihren Leuten im Kreis und im Land? Beraten sie nicht auch Kreis und im Land sowas erst, bevor ein Beschluss gefasst wird? Hätte man aus den Beratungen im Kreis und im Land vielleicht früher ableiten können, dass da was kommt? Oder sich gar dagegen wehren? Oder ist das eine ganz andere CDU und eine ganz andere SPD, die im Land und im Kreis regieren?
Aber unser erfahrener Bürgermeister hat als Finanzdezernent prompt schon Vorschläge für „Einsparungen“ aus „eigener Kraft“ im Ärmel. 400.000 Euro können eingespart werden, weil ein geplanter Kindergarten nicht rechtzeitig fertig wird und man dann ja die Personalkosten quasi einspart. „Aus eigener Kraft“ klingt natürlich super, heißt aber eigentlich, dass man mit dem geplanten Kindergarten „aus eigener Kraft“ nicht fertig werden wird und man dann das Geld für Personal, also – ebenfalls „aus eigener Kraft“ gar nicht ausgeben kann. Viernheim strotzt also geradezu vor eigener Kraft. Wenn es dann im Frühjahr, wie jedes Jahr, um genügend Kitaplätze geht, verwandelt sich die „eigene Kraft“ dann dahingehend, dass alle anderen Fehler gemacht haben – außer natürlich die Stadt. Weil die macht ja, wie wir vor einiger Zeit schon lernen durften, keine Fehler. Dass die 400.000 Euro spätestens dann wieder fehlen, wenn der Kindergarten doch mal fertig werden sollte, ist erst mal Nebensache.
Dazu kommt, dass die Stadtverordneten die maßgeblichen Infos erst zwei Wochen vor der Sitzung erhalten, in der der Haushalt verabschiedet werden muss. Weil dann ist ja Weihnachten und das Jahr um und im nächsten Jahr muss es ja gleich weitergehen. Damit haben die, deren Aufgabe die Kontrolle der Verwaltung ist, noch nicht mal die Zeit, sich eingehend mit der neuen Situation zu beschäftigen, sie zu überdenken und vielleicht zu besseren und alternativen Lösungen zu kommen. Und so wird es im Ergebnis dann aussehen wie immer. Man wird die Steuererhöhung verabschieden, den Haushalt ebenfalls und sich weiter keine Gedanken machen. Weil Anfang 2025 ist ja dann Weihnachten vorbei, das neue Jahr hat begonnen und es geht mit neuer Kraft wieder neu los. So wie letztes Jahr, mit einem Haushalt, der – wie damals von allen Seiten betont – „auf Kante genäht war“ und dem nichts Außergewöhnliches passieren durfte. Letztes Jahr gab es bei der Verabschiedung des Haushalts eine Gegenstimme. Eine Gegenstimme ist einfach, denn wenn man weiß, dass die eigene Fraktion zuzustimmen wird, kann man so tun, als sei man dagegen oder besorgt und hat mal ein Zeichen gesetzt. Geändert hat sich freilich nichts. Vielleicht gibt es dieses Mal ein paar Gegenstimmen mehr. Aber ob sich dann etwas ändern wird? Die beiden größten Fraktionen müssten ja ihrem Bürgermeister und ihrem Ersten Stadtrat auf die Füße treten und das wird so kurz vor der nächsten Kommunalwahl niemand wollen.
Und natürlich werden die, die zustimmen, das natürlich ausschließlich unter stärksten Bauchschmerzen tun. So macht man das heute in der Politik, wenn man keine Ideen hat oder einfach nichts ändern will: Man stimmt zu und ergänzt schnell, dass das natürlich nur unter allerhöchstens Bauchschmerzen geschieht. Das eigene Gewissen ist beruhigt und es kann weitergehen. Wie immer.
Und was nützt es uns Bürgerinnen und Bürgern? Wir zahlen noch mehr für noch weniger. Die Kindergartenplätze werden wieder nicht reichen (mit allen privaten Konsequenzen für die betroffenen Frauen und Familien), die Straßen bleiben marode, bei wichtigen Dingen wie Bildung, Umweltschutz, Verbesserung der Mobilität und vielen weitere kommen wir nicht voran. Politikversagen! Natürlich nur mit allerhöchsten Bauchschmerzen, dafür mit fantastischer und vorbildlicher Kommunikation, mit der man „aus eigener Kraft“ das Versagen versteckt. Vielleicht sollten wir anfangen, Wetten für 2026 aufzunehmen? Ich wette, sie werden für 2026 nochmal um mindestens 20 Prozent erhöhen. Natürlich wieder mit allerhöchsten Bauchschmerzen.
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