Lebenswerte Stadt

6. Dezember 2020 Article Programm

Lebenswerte Stadt? Noch so ein politischer Begriff. Klar wollen alle eine lebenswerte Stadt nur so richtig wissen, was eine lebenswerte Stadt ist, bleibt unklar. Oder? Und ist Viernheim lebenswert?

Die einfachste Möglichkeit herauszufinden, ob eine Stadt lebenswert ist, ist zu schauen, wie sich die Menschen dort verhalten. Eine Stadt ist dann lebenswert, wenn viele Menschen auf Straßen und Plätzen unterwegs sind, sie sich dort aufhalten, Spaß haben, gerne dort sind und wieder kommen. Und wie sie über ihre Stadt sprechen.

Viernheim hat seine attraktiven Seiten, keine Frage. Aber je nach Thema sieht es unterschiedlich aus. Einkaufen geht. Da gibt es einige Orte wie das Einkaufszentrum, den Knupfer in der Nordweststadt, den Rewe im Bannholzgraben. Sport geht auch. Aktivitäten in Vereinen gehen auch. Spielplätze ebenfalls. Funktional ist es also nicht schlecht bestellt um Viernheim.

Aber was ist mit den informellen Aktivitäten? Orten, an denen man sich einfach gut aufhalten kann, sich mit Menschen treffen, in der Sonne sitzen, im Schatten sitzen, sehen und gesehen werden, etwas trinken oder essen kann, aber nicht muss, sich informell treffen etc.? Gibt es attraktive Orte, wo Menschen unterwegs sind, sich dort aufhalten, Spaß haben, gerne dort sind und wieder kommen? Sowas wie die Neckarwiesen in den Nachbarstädten, Marktplätze, Fußgängerzonen, Parks?

Reicht uns das?

Damit tut sich Viernheim bislang eher schwer. Das bestätigen auch ein großer Teil der Gespräche, die ich als Bürgermeisterkandidat mit Bürgerinnen und Bürgern jedes Alters geführt habe und die zum Teil in den „Sichtweisen“ dokumentiert sind. Diese sind zwar nicht unbedingt repräsentativ, aber viele haben den Grundton, dass Viernheim nicht schlecht ist und man dort alles auf kurzem Wege erhält, was man so zum Leben braucht. Das was aber das Leben ausmacht, gibt es hier nicht direkt. Aber das macht nichts, denn wir leben hier inmitten einer attraktiven Region und brauchen nur in die Nachbarorte gehen und finden dort auch das, was Leben ausmacht.

Reicht uns das aus? Wollen wir so sein? Die funktionale Stadt, die Städte in der Nähe hat, wo dann das schöne Leben stattfinden kann? Wir als Stadtgesellschaft sollten darüber nachdenken, wie wir Viernheim insgesamt lebenswert machen bzw. NOCH lebenswerter.

Mehr „Leben“ für die Stadt

Über folgendes sollten wir intensiv nachdenken und der Stadt „mehr Leben“ einhauchen:

  • Sinnvolle Stadtquartiere wie die Nordweststadt, in der man zentral die wichtigen Dinge des Lebens findet.
  • Wohnen und Arbeiten verbinden können
  • Lebens- und Freizeiträume schaffen (auch IN der Stadt)
  • Mehr für Bürgerinnen und Bürger nutzbare Parks, Grünanlagen und öffentliche Plätze, u.a. für Naherholung
  • Wifi in Parks und öffentlichen Anlagen
  • Klimagerechte Stadt: Mehr Grün und Wasser in die Stadt bringen
  • Mehr Leben draußen ermöglichen.
  • Urban Gardening, Gemüse und Kräuter in öffentlichen Grünanlagen
  • Stadtgesellschaft, Zusammenhalt und Verbundenheit schaffen, Community schaffen
  • Wohnen ausrichten auf die Zukunft: Wie werden wir in Zukunft vermutlich wohnen?
  • Plätze in der Stadt schaffen an denen man sich sportlich betätigen kann, vorrangig da wo viele Menschen wohnen und sich aufhalten
  • Sicherheit und Ordnung: Angsträume beseitigen, Sicherheitsgefühl verbessern
  • Sauberkeit
  • Bildungsgerechtigkeit und Armut verhindern
  • Bewegungsangebote und Gesundheitsförderung, z.B. auch Sportangebote, die außerhalb der Strukturen von Vereinen und Events möglich sind
  • Kunst in der Stadt, um Begegnungen zu ermöglichen und als Moment Überraschendes entdecken zu können
  • Neue Konzepte für die Nutzung des Straßenraums: Autos akzeptieren und mehr Ausgleich für andere Verkehrsteilnehmer finden.
  • Wenn wir es selbst nicht hin bekommen, Anregungen holen beim Internationalen Netzwerk lebenswerte Städte: Cittaslow (Nicht ernst gemeint, aber Austausch und Anregungen kann man da suchen.)
  • Stadt als Ort demokratischer Prozesse
  • Stadt als Standort für Arbeitsplätze der Bürgerinnen und Bürger; ein attraktiver Wohnort für die Fachkräfte der Unternehmen hier und in der Region
  • Stadt, auf die man stolz sein kann
  • Ästhetik, Schönheit, Design – nicht ausschließlich funktional
  • Zivilgesellschaftliches Engagement fördern
  • Beseitigung der städtischen Schottergärten Apostelplatz und Bürgerhausvorplatz BEVOR man anfängt, sich in die privaten Schottergärten der Bürgerinnen und Bürger einzumischen.

Die Liste der Ansatzpunkte ist lang, aber dafür passiert das eine oder andere auch schon. Mein Vorschlag ist, dass man sich die einzelnen Punkte nimmt und überlegt, was man hier noch tun und verbessern kann. Wichtige Vorraussetzung ist dabei, zu verstehen, was sich in den Einstellungen, Erwartungen und Befindlichkeiten der Bürgerinnen und Bürger verändert hat.

Vom Prinzip her bringt Viernheim gut Vorraussetzungen mit. Insbesondere engagierte Bürgerinnen und Bürger haben wir viele, in den Vereinen und auch viele „Nicht-Organisierte“. Da ist genug Potenzial das hin zu bekommen.

Uns warum brauchen wir lebenswerte Städte?

Und wozu brauchen wir lebenswerte Städte? Weil lebenswerte Städte für Mehrwert für alle bringt: Für die Bürgerinnen und Bürger, für die Unternehmen, für die Vereine, für Besucherinnen und Besucher de Stadt etc. In einer lebenswerten Stadt fühlen sich die Bewohner und Bewohnerinnen mit ihrer Stadt verbunden und mitverantwortlich. daraus können wieder neue gemeinsame Initiativen entstehen. Das wachsende Miteinander gibt der Stadt eine Identität. In so einer Stadt fühlen sich die Menschen wohl, wollen hier bleiben und sind nicht nur hier, weil die Stadt so schön funktional ist und es rund um die Stadt so schön ist.