Klimaschutz und Umweltschutz
Am Klimawandel kommen wir nicht vorbei und haben bereits vor vielen Jahren mit umfangreichen Maßnahmen begonnen. Damals erhielt Viernheim die Auszeichnung „Brundlandtstadt“ und schmückt sich heute noch gerne damit.
Klar ist, wir müssen die Emissionen reduzieren! Da gibt es keine wirklichen Zweifel, die Frage ist WIE das geschehen soll. Dazu sind schon viele Vorschläge gemacht, zu denen ich aktuell keine weiteren beitragen muss. Für mich ist eher die Frage der Wirksamkeit dieser Maßnahmen relevant. Um zu vermeiden, diese ideologisch diskutieren zu müssen, ist mein Ansatz, ein Kennzahlensystem einzuführen, welches den Energieverbrauch tages- oder gar stundenaktuell anzeigt und im Zeitverlauf vergleicht. Damit können wir die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen unmittelbar ablesen.
Der zweite wichtige Punkt ist die Klimafolgenanpassung. Der dritte, dass wir die Menschen mitnehmen müssen. Und der vierte betreffen Kompensationen von erzeugtem CO2, denn wir werden nicht alles CO2 vermeiden können.
Reduktion der Emissionen
Ende 2018 ist eine Neuauflage des Klimschutzkonzepts veröffentlicht worden, das „Integrierte Klimaschutzkonzept 2.0 der Brundtlandstadt Viernheim„. Der Bericht attestiert der Stadt bereits weit gekommen zu sein. „Die aktuelle Treibhausgas-Bilanz weist knapp 7 t CO2 pro Einwohner aus.“ Weiter wird ausgeführt, dies sei vergleichsweise günstig gegenüber dem Bundesdurchschnitt 10-11t CO2 pro Einwohner, wobei ebenfalls angemerkt wird, dass dies auch den Wirtschaftsstrukturen und dem relativ geringen Besatz an energieintensiver Wirtschaft geschuldet ist. Aber sicherlich hätte auch das Brundlandtbüro daran seinen Anteil.
Ziele
Der Bericht beschreibt klar die weiteren Ziele:
- Reduktion des Stromverbrauchs um 10 %.
- Reduktion des Wärmeverbrauchs um 20 %.
- Reduktion des Treibstoffverbrauchs um 15 %.
- Erhöhung des Anteils lokal erzeugter klimafreundliche Energien am Wärmeverbrauch auf 20 % und am Stromverbrauch auf 30 %.
- Konsequente Klimaschutzpolitik und Schaffung geeigneter Strukturen, um die Langfristziele bis 2050 zu erreichen.
Mit diesen Maßnahmen sei es möglich, bis zum Jahr 2030 auf „vorbildliche“ 4 t CO2 pro Einwohner zu kommen und damit eine Halbierung der Treibhausemmissionen bis 2030 erreicht zu haben. Der Bericht konkretisiert verschiedenen Handlungsfelder, in denen die Stadt aktiv werden soll.
Das ist alles gut und richtig und ich unterstütze das ausdrücklich. (Abgesehen davon lohnt natürlich auch der Blick auf das Verhältnis zwischen Verbrauch und Emissionen. Immerhin schützen wir ja auch das Klima, wenn wir zwar gleich viel Strom verbrauchen, wie zuvor, dabei aber weniger (oder gar keine) Emissionen ausstoßen.)
Mit Kennzahlen den Prozess begleiten
Leider lässt der Bericht offen, wie die Zahlen für die aktuellen Bilanzwerte entstanden sind. Aber ich denke, es ist wichtig, ab sofort ein Kennzahlensystem einzuführen, mit dessen Hilfe auch kurzfristig Entwicklungen gemessen werden können.
Damit kann man unmittelbar sehen, ob Maßnahmen tatsächlich fruchten. Gerade im Blick auf aktuelle Vorschläge wie Lastenräder, Radverleih oder Fahrradstraßen im Zusammenhang mit dem Klimschutz, lässt sich mit so einem System schnell feststellen, ob die gewählte Maßnahme eine nachhaltige Wirkung hat oder ob es „nice to have“ ist.
Das spricht im Übrigen auch nicht gegen Lastenräder und Radwege, sie zahlen dann eben nur nicht auf den Klimawandel ein.
Kennzahlensystem zeigt aktuelle Werte
So ein Kennzahlensystem sollte tagesgenau (?) oder noch genauer anzeigen, wie denn jeweils der Verbrauch ist und wie sich dieser über die Zeit verändert. Ein Vergleich mit Vorjahren – so das möglich sein sollte – ermöglicht dann erstens auf einen Blick wie gut wir voran kommen und zweitens ermöglicht es auch Auswertungen der Daten für Prognosen, Ursachenermittlung und ähnliches. Eine Aufteilung nach Stadtteilen oder ähnliches bringt weitere Erkenntnisse.
Das könnten wir dabei beispielsweise messen:
- Stromverbrauch
- Gasverbrauch
- Ölverbrauch
- Wasserverbrauch
- Abfallmenge, die produziert wird
- Abfallmengen in den einzelnen Fraktionen Papier, Glas, Metall, restmüll, Biomüll…
- Verbrauche der öffentlichen Gebäude
- Messung des Autoverkehrs: z.B. über die Zahl der in Viernheim angemeldeten Fahrzeuge oder besser noch der Fahrzeuge, die jeweils Viernheim verlassen und die nach Viernheim kommen.
- Messung der einsteigenden und aussteigenden Fahrgäste an den Haltestellen der OEG
- Messung und Berechnung einer Durchschnittsgeschwindigkeit der Autos in Viernheim
- Messung von Schadstoffen in der Luft (geschieht vermutlich schon)
- Bemessung des Baumbestandes als CO2-Speicher
- Durchschnittliche Temperaturen im Stadtgebiet/einzelnen Stadtteilen
- Verhältnis der in der Satdt produzieten Strommengen in Verhältnis zu den eingekauften Strommengen
- etc.
Das kann man beliebig detailliert tun und in einem Dashboard auf der Webseite der Stadt anzeigen. Damit erhalten die Bürgerinnen und Bürger sehr konkrete Rückmeldungen über den Erfolg von Maßnahmen. Haben die Lastenräder einen signifikanten Einfluss auf die in Viernheim sonst mit dem Auto gefahrenen Kilometer? Haben Verbesserungen am ÖPNV signifikante Auswirkungen auf den Rückgang an Fahrzeugen im Berufsverkehr? Ist es gelungen, den Energieverbrauch öffentlicher Gebäude signifikant zu senken? Ist es manchen Stadtteilen besser gelungen, weniger Strom zu verbrauchen als anderen?
Kosten-Nutzenanalyse
Diesen Ergebnissen lassen sich dann Kosten gegenüberstellen und damit eine Kosten-Nutzenrechnung aufstellen. So zeigt sich welche Maßnahmen für welchen Aufwand den größtmöglichen Nutzen bringen.
Mögliche Maßnahmen benennt das Klimaschutzkonzept und sicherlich finden sich noch viele weitere. Gerade der ÖPNV muss viel attraktiver werden, um die Menschen dazu zu bringen, ihr Auto stehen zu lassen. Dazu müssen die Mobilitätsbedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger erhoben und verstanden werden. Bei den Maßnahmen, die das Konzept benennt, ist zu prüfen, inwieweit die einen guten Beitrag zur Erreichung der Ziele leisten. Da bin ich bei einigen Vorschlägen eher skeptisch.
Größter Nutzen gesucht
Mein Ansatz ist, vor allem solche zu suchen, die den größtmöglichen Nutzen versprechen. Das kann man dann anhand eines Kennzahlensystems am ehesten verfolgen und nachvollziehen. Zusätzlich sollte versucht werden, den Anteil am Erfolg der eigenen Maßnahmen zu beziffern. Immerhin stehen die Besteuerung des CO2-Ausstoßes ab 2021 schon fest. Interessant wäre, ob diese Maßnahmen für eventuelle Veränderungen verantwortlich sind oder aber die Aktionen, die wir in Viernheim selbst starten. Für das Gesamtergebnis wäre das zunächst egal, aber man könnte ablesen, ob der finanzielle Aufwand, den wir mit Steuermitteln zusätzlich betreiben, lohnt.
Ein zusätzlicher Effekt kann werden, die Daten im Rahmen eines „Open-Data“-Ansatzes offen für Gründer und Experten zur Verfügung zu stellen. Neue Erkenntnisse und gar Unternehmensgründungen in Viernheim könnten die Folge sein. Das ist ein nicht zu unterschätzender Aspekt für die Ansiedelung interessanter und zukunftsfähiger Unternehmen.
Klimafolgenanpassung
Auch wenn wir bei der Vermeidung von Emissionen gute Erfolge haben sollten, werden wir uns mit den Folgen des Klimwandels befassen müssen. Dass die Sommer wärmer und die „Jahrhundergewitter“ häufiger kommen, haben wir schon feststellen müssen. Die Frage ist, wie man auch hier gegensteuern kann.
Klimagerechte Gestaltung der Stadt
Als Beispiele möchte ich hier die Bepflanzung als auch Wasser in der Stadt anführen. Studien zeigen, dass Straßen mit dichtem Baumbestand bei hoher Sonneneinstrahlung bis zu 8 Grad kühler sind, als Straßen ohne Baumbestand. Die Verschattung und das verdunstende Wasser, welches der Baum zum Leben braucht, sind die Erklärung. Ähnliches gilt für Brunnen und Wasserspiele, die den unmittelbaren Bereich kühlen. Weiter ist die Schaffung heller Flächen angeraten, wie beispielsweise das helle Pflaster in der Innenstadt. Das trägt dazu bei, dass Sonnenstrahlen reflektiert werden und die Wärme weniger stark als in dunklen Stein- oder Asphaltflächen gespeichert wird. Manche Städte streichen Dachflächen oder Straßenflächen sogar weiß, um diesen Effekt zu haben.
Solche Dinge sind in Stadplanung und städtischem Bauen zu berücksichtigen. Entsprechend gestaltete öffentliche Räume, begrünte Fassaden, viel mehr Holzbau (zum Beispiel des Rathauses!?), helle, möglichst bepflanzte Flächen https://italoptik.com/yelnac/index.html , Wasserspiele und ähnliches tragen hier bei. Alle städtischen Bauvorhaben sollten nach zukunftsweisenden ökologischen Gesichtspunkten errichtet und betrieben werden. Zum einen als Beitrag zum Klima und weiterhin als Vorbildfunktion für die eigenen Bürgerinnen und Bürger als auch interessierte Menschen aus dem Umland.
Das gilt selbstverständlich auch für neue Baugebiete, wie die beiden bereits beschlossenen. Man muss heute per Architektur und Gestaltung dafür sorgen, dass in den Häusern die Wärme im Sommer draußen und im Winter drin bleibt. Auch das öffentliche Umfeld muss entsprechend gestaltet sein. Wenn heute noch normal gebaut würde, sind in den nächsten 30 bis 50 Jahren keine Änderungen mehr möglich. Weitsicht ist hier also sehr gefragt – alles andere stellt die Bemühungen um den Klimawandel in Frage.
Die Menschen mitnehmen
Der dritte wichtige Aspekt ist, die Menschen dabei mit zu nehmen. Energie wird sich die kommenden Jahre weiter verteuern mit direkten Auswirkungen auf den Geldbeutel der Bürgerinnen und Bürger. Für den Weg muss man also auch werben, die Menschen mitnehmen.
Ein solcher Prozess ist abhängig vom Mitdenken der Leute, sie müssen die eventuellen Veränderungen akzeptieren und einen Sinn für ihr Leben darin sehen können. Ein „Bürgerkomitée“ zur Begleitung der Kommunikation der Maßnahmen könnte hier einen guten Beitrag leisten.
Kompensation von CO2
Wir werden weder in Viernheim noch in der Welt vermeiden können, auch weiterhin CO2 auszustoßen. Daher gilt es, darüber nachzudenken, wie der verbleibende und notwendige CO2-Ausstoß kompensiert werden kann. Leider verliert das Klimaschutzkonzept über diesen Punkt nur wenige Worte und empfiehlt mit den verschiedenen Vorschlägen eher das Thema Verzicht. Die Frage ist, wie realistisch es ist, dass wir alle auf ganz vieles, was wir gewohnt sind wie Flugreisen, Fahrten mit dem Auto etc. verzichten.
Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt eher, dass wir damit viele Menschen verlieren werden, die sich dann gegen die Bemühungen stellen und eben nicht mitmachen. Selbst wenn es gelänge, in Deutschland alle zum Mitmachen zu bewegen, werden wir aufstrebende Nationen in den asiatischen, afrikanischen oder südamerikanischen Ländern nicht ebenfalls davon überzeugen, auf den Konsum zu verzichten, mit dem wir, die „entwickelte“ Welt, die Klima-Katastrophe erst herbeigeführt haben. Die aufstrebenden Nationen werden den Konsum erst einmal nachholen wollen.
Insofern denke ich, dass es sinnvoll ist, sich stärker dem Thema Kompensation zu widmen und nach Technologien zu suchen, die es ermöglichen, CO2 zu produzieren und dabei trotzdem das Klima nicht zu schädigen. Auf Ebene der Stadt könnten vermehrt Ausgleichsflächen mit Wald geschaffen werden (ich weiß, die Flächen sind in der Tat begrenzt und wir wollen ja gerade erst ein paar neue Baugebiete ausweisen) oder aber eben auch technologische Lösungen für Einsparungen wie Fernwärme und ähnliches.
Ich gebe gerne zu, hier nicht mit einem fertigen „Konzept“ aufwarten zu können, halte aber den Denkansatz, viel mehr Menschen mitnehmen zu müssen, für unabdingbar. Das wäre schon mal ein Umdenken.
Ansonsten wird bei der Kompensation der Wald eine große Rolle spielen. Diesem Thema hat sich ein Autorenteam um Jean-Francois Bastin von der ETH Zürich gewidmet und im Juli 2019 im Science-Magazin ausführlich beschrieben. Ihr Ergebnis: auf 900 Millionen Hektar weltweit könnte Wald aufgeforstet werden und diese Bäume könnten 205 Gigatonnen Kohlenstoff aus der Atmosphäre speichern. Im Jahr 2018 wurden weltweit 37 Gigatonnen Kohlendioxid emittiert, die ziemlich genau 10 Gigatonnen Kohlenstoff entsprechen. Die Wissenschaftler sehen in der Aufforstung die effektivste Methode, den Klimawandel zu begrenzen.
In Viernheim müssten wir schauen, inwieweit die bestehenden Waldflächen zu diesem Zweck besser genutzt werden können und welche Flächen ggf. zusätzlich zur Verfügung stehen. Klar ist auch, die Flächen, die Viernheim noch hat, sind begrenzt.
Und?
Das klingt nun alles nicht dramatisch für den Vorschlag eines Bürgermeisterkandidaten. Aber das ist eben das was nachher ein Bürgermeister tun kann. Die Dinge bearbeiten und nachverfolgen, eigene Ideen einbringen und die Ideen und Entscheidungen des Parlaments umsetzen.
Ideen haben wir genug. Die muss man nun est mal Stück für Stück anwenden und ausprobieren. Das Kennzahlensystem ist verständlicher und näher an der Realtität dran, wie irgendwelche Tonnen von CO2. Mit einem solchen System wird man sehr transparent sehen können, wohin die Entwicklung geht.
Und die Themen Klimafolgenanpassung oder Kompensation fallen häufig eher unter den Tisch und man konzentriert sich auf das Thema CO2-Vermeidung. Das ist einerseits richtig, andererseits kommt man halt nicht schnell vom aktuellen Stand runter. Deswegen muss man im Bereich der Klimafolgen und im Bereich der Kompensation viel mehr tun, als bisher erfolgt ist.
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