
Ist die Planung zum neuen Ratshausareal wirklich so offen, wie der Erste Stadtrat behauptet?
Auf den Leserbrief zu den Bemühungen der Stadt zum neuen Rathausareal hat der Erste Stadtrat Scheidel reagiert. Ebenfalls per Tageblatt und Viernheim-Online (LINK), und – wie so oft – mit einigen Unterstellungen. Daher erforderte es eine Replik auf die Replik…
Sehr geehrter Herr Erster Stadtrat, lieber Jörg,
vielen herzlichen Dank für Deine Antwort auf meinen Leserbrief zum Rathausareal. Ich habe mich tatsächlich sehr gefreut, denn sonst erfolgt ja im Wesentlichen keine Reaktion. Vielleicht kannst Du, wenn Du schon dabei bist, auch gleich die verschiedenen Mails, Schreiben, Unterschriftensammlungen und Nachfragen von Bürgern zum Gehwegparken beantworten? Ich stehe mit einigen in Kontakt und weiß, dass da noch einige Anfragen offen sind.
Aber nun zum Thema:
Erstens: Ja, Beteiligung von Bürgern ist bei dem Verfahren vorgesehen. Aber wie auch schon in vielen Projekten zuvor nur als Information und vielleicht als Einsammeln von Ideen. Und jetzt ist es blöderweise so, dass wir Bürger damit nicht nur in der jüngsten Vergangenheit die Erfahrung machen durften, dass eine Diskussion oder gar eine kritische Auseinandersetzung über die von Euch vorgeschlagene Lösung nicht geschieht. Manche, die mehr direkten Einblick in das politische Wirken haben, sprechen sogar von simulierter oder inszenierter Beteiligung. Beteiligung würde beispielsweise inszeniert, wenn man die Bürger nach ihren Wünschen und Vorstellungen fragt, sie Ideen entwickeln lässt, sich für die wertvollen Beiträge bedankt, ein paar Monate Schamfrist ins Land gehen lässt, um dann festzustellen, dass für die tollen Vorschläge kein Geld da ist und die Politik daher Wohnbebauung verabschiedet.
Wir beide haben ganz sicherlich ein unterschiedliches Verständnis von Bürgerbeteiligung. Dein Verständnis mag es sein, zu informieren (wie es die Baugesetze ja vorgeben) und vielleicht ein paar Ideen einzusammeln. Meines geht weit darüber hinaus und ich halte es für sehr sinnvoll, Bürgerinnen und Bürger auch in Entscheidungen maßgeblich einzubinden. Andere binden ein und machen damit sehr gute Erfahrungen! (Mehr zum Thema Bürgerbeteiligung im Workshop des neuen Bürgernetzwerks am kommenden Mittwoch in der Kulturscheune. Eine Einladung hast Du ja erhalten.) Der große Vorteil ist, dass es viel fachliches Knowhow und viel Alltagserfahrung gibt, welches durch eine Beteiligung gehoben wird.
Zweitens: Du verweist auf die repräsentative Demokratie, sprich, dass die gewählten Vertreter und Vertreterinnen in der Stadtverordnetenversammlung letztendlich die Entscheidung treffen. Das ist zunächst inhaltlich richtig, wenn es auch seine Tücken hat. Bei „richtigen“ Bürgerbeteiligungsverfahren sind die Bürger, die den Entscheidungsvorschlag erarbeiten, viel tiefer in die fachlichen Diskussionen verstrickt und können daher viel eher fundierte Entscheidungen treffen! Da kann es schon sinnvoll sein, einem fundierten Entscheidungsvorschlag der Bürgerschaft zu folgen. Es ist ja nicht so, dass alle Stadtverordneten gleichermaßen bei jeder Entscheidung fachlich auf dem aktuellen Stand sind, obwohl sie ihre Stimme abgeben. Und oftmals MÜSSEN sie sogar gemäß der Fraktionsdisziplin stimmen, auch wenn sie anderer Meinung sind. Ist es das, was Du mit „repräsentativer Demokratie“ meinst?
Drittens: Du verweist auf den „demokratischen Prozess“. Jetzt sind die Themen Fraktionsdisziplin, Nicht-Mitreden-Dürfen bei wichtigen Themen und andere Dinge genau die Dinge, die es Euch als Parteien so schwer machen, Leute zu finden, die sich engagieren und die bei Euch und „im demokratischen Prozess“ mitmachen wollen. Warum auch, wenn man doch nichts mitentscheiden darf. Insofern ist Deine Überschrift „Kommunale Demokratie lebt vom Dialog“ eher Hohn als gelebte Realität.
Viertens: Du möchtest Fakten haben. Gerne. Die Stadt hat kein Geld und eine der höchsten Grundsteuern in Südhessen. Die kann man jetzt noch verdoppeln oder verdreifachen, aber ob das dann reicht, in der Innenstadt das alte Rathaus abzureißen und dann etwas wie einen Stadtpark, eine Begegnungsstätte oder ähnliches entstehen zu lassen? Der Fakt, dass die Stadt überhaupt kein Geld hat, irgendetwas Eigenes dort entstehen zu lassen, wiegt schwer. Und viele Stadtverordnete oder ältere Parteigänger der verschiedenen Parteien schlagen schon länger eine Wohnbebauung auf dem Areal vor. Klingt ja auch zu schön: Die Stadt verkauft die Grundstücke, ein Investor reist das alte Rathaus auf seine Kosten ab, baut Wohnungen, verkauft diese meistbietend und die Stadt ist das Problem los.
In den 60er Jahren wurden die alten Fachwerkhäuser der Innenstadt gegen damals vermeintlich moderne Bauten ersetzt. Heute bezeichnen wir das als Bausünden und wären froh, wenn die alten Häuser noch da wären. Der Attraktivität der Innenstadt täte das gut. Mit Wohnbebauung an der Stelle des Rathauses wäre die Stadtmitte, als städtisches Zentrum, für bürgerschaftliches Leben, Feiern, Aufhalten, Spaß haben, und das alles auch außerhalb des Kommerzes für viele Jahrzehnte Geschichte. Es geht also um was!
Drehen wir die Frage doch mal um. Welche Fakten hast Du denn aufzubieten, dass der angeblich so offene Prozess tatsächlich für alle Ideen offen ist? Du hast ja den Zugang zu allen Informationen. Woher nimmst Du das Geld für alle Ideen, die nicht in eine kommerzielle Verwertung des Areals einmünden? Woher kommt das Geld für die versprochene „maximale Vielfalt an baulichen Lösungen“? Oder klären wir das dann erst später?
Und welche Fakten kannst Du vorweisen, dass trotz der vermeintlichen Beteiligungsprojekte der vergangenen Jahre, es dieses Mal anders wird? Dass Ihr es ernst meint mit einer wirklichen Beteiligung der Bürgerschaft? Da ist viel Vertrauen verspielt worden. Du wirfst mir eine „bewusste Fehldarstellung“ vor. Das gebe ich gerne zurück!
Fünftens: Du wirfst mir eine „inszenierte Empörung“ vor. Ich kann Dir versichern, meine Empörung ist ganz echt. Das Verfahren ist so angelegt, dass das Wort Beteiligung an verschiedenen Stellen zwar vorkommt, aber selbst Deine Ausführungen, dass die Entscheidungen in einer repräsentativen Demokratie im Parlament getroffen werden, zeigen etwas anderes. Was soll denn Deine Formulierung „Die Kunst ist es, die Bürgerschaft zum richtigen Zeitpunkt einzubeziehen“ bedeuten? Ein- und Ausschalten der Bürgerschaft, wie es gerade passt? Ja, ich befürchte, dass hier SCHON WIEDER nur so getan werden soll, als könnten Bürger mitbestimmen. Und ja, das empört mich zutiefst!
Das große Problem dabei sind die Ergebnisse Eurer Politik. Es war bisher nie so, dass Ihr etwas durchgezogen habt und es danach aus der (Mehrheit der) Bürgerschaft hieß, „Ja, Ihr hattet Recht. Es ist jetzt viel besser als vorher!“ Daher sollte die Bürgerschaft viel früher und intensiver eingebunden werden und einen Entscheidungsvorschlag erarbeiten, wo die entscheidenden Gremien dann gute Argumente aufwenden müssen, sich dagegen zu entscheiden. Dann hätten wir einen guten Prozess für einen so wichtigen Platz im Herzen unserer Stadt!
Und einen guten Prozess, um wieder Mut zu machen, dass sich ein Engagement für die Stadtgesellschaft lohnt und man gemeinsam wirklich etwas bewegen kann. Der Demokratie in unserer Stadt täte das gut!
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