Innenstadt
Das Thema Innenstadt treibt uns in Viernheim ja schon eine ganz Weile um und wird auch aktuell kurz vor der Kommunalwahl wieder zum Thema. Das ist gut und richtig. Nur muss man das Thema auch mal richtig angehen und lösen und nicht nur „herumdoktern“.
Gerade erst wurde die Innenstadt neu gepflastert oder es werden durch ein Förderprogramm 100.000 Euro an 5 Einzelhändler gegeben, die ihre Läden damit attraktiver machen wollen. Das Problem ist nur, dass all diese Maßnahmen nicht so wirklich zum Erfolg führen. Die Innenstadt ist dadurch bisher nicht wirklich belebter oder attraktiver geworden. Wenn Ihr wollt, dass es dem Handel besser geht, dann bringt Leute in die Stadt!
Verstehen, was sich verändert hat
Um bezüglich der Innenstadt tatsächlich voranzukommen, muss man verstehen, wie sich die Welt verändert hat und was ggf. zu unseren Schwierigkeiten geführt hat. So haben sich zum einen für den lokalen, stationären Einzelhandel massiv die Bedingungen verändert.
Die Konkurrenz auf der grünen Wiese hat mehr Verkaufsfläche, daher ein breiteres Angebot, welches sie mit weniger Personal anbieten kann. Und der Onlinehandel hat „unendlich“ viel Verkaufsfläche, eine „unendliche“ Angebotspalette und die kann er mit noch viel weniger Personal an die Käuferin und den Käufer bringen. Und das zu günstigeren Preisen. Der lokale Einzelhändler hingegen muss die hohen Kosten für Miete und Personal über ein kleineres Angebot an weniger Kundschaft umlegen. Nicht einfach!
Zum anderen haben sich die Erwartungen der Menschen an ihr Umfeld verändert. Kundinnen und Kunden erwarten heute anderes von ihrem Einkaufsumfeld. Man muss also auch diesen „gesellschaftlichen Wandel“ verstehen. Und beides geht miteinander einher.
=> Extrabeitrag: Wie sich der Handel verändert hat
Heute sind die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr darauf angewiesen, ihre Einkäufe in der Innenstadt zu erledigen. Sie haben Alternativen wie das Rhein-Neckar-Zentrum, die diversen Discounter auf der grünen Wiese oder eben online. Und sie nutzen diese. Die Kunden erledigen ihre Einkäufe da, wo es für sie am besten ist und sie haben die Wahl: Butter, Milch, Klopapier beim Discounter und Klamotten da, wo man schön shoppen gehen kann, flanieren, sich aufhalten, einen Kaffee trinken, eine große Auswahl hat, wo die erwarteten Marken vertreten sind etc. Und oft eben auch, wo man mit dem Auto gut hinkommt.
Wo wollen wir hin?
Die eigentliche Frage muss für uns sein, wo wir mit der Innenstadt eigentlich hin wollen: Wollen wir überhaupt eine Innenstadt? Welches Ziel verfolgen wir mit der Innenstadt? Für was soll die Innenstadt Viernheim genutzt werden oder auch bekannt sein?
Neuer Fokus notwendig
Ich denke, es bleibt und wird auch in Zukunft schwierig sein, die Innenstadt mit dem Fokus auf den Handel zu denken. Wir sollten den Fokus verändern!
Das heißt nicht, dass der Handel darin keine Rolle mehr spielt – ganz im Gegenteil. Aber die „attraktive Einkaufsmeile in der Innenstadt“ wird es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr geben – nicht mehr ohne noch mehr zu bieten. Das hat vielleicht ganz früher mal funktioniert, heute kann man die Erwartungen der Kundinnen und Kunden an einen attraktiven Einkaufsort in den Strukturen der Innenstadt nicht mehr erfüllen. Zu eng, zu verbaut, zu wenig Parkplätze, zu schlecht erreichbar, zu wenig größere Shopflächen für Frequenzbringer etc.
Lebensqualität in der Innenstadt
Wir sollten uns in Viernheim darauf konzentrieren mit der gesamten Innenstadt einen attraktiven Ort zu schaffen, der den Bürgerinnen und Bürgern ein qualitativ hochwertiges Umfeld bietet, in dem sie einfach einen Teil ihrer Zeit verbringen KÖNNEN. Einen Ort der so attraktiv ist, dass sie dort einen Teil ihrer Zeit verbringen WOLLEN. Innenstädte sind ja nicht nur zum einkaufen da, sondern können noch ganz andere Funktionen übernehmen.
Wir sollten daran arbeiten, einen Ort zu schaffen, der einlädt, sich dort aufzuhalten, Menschen zu treffen, vielleicht ortsunabhängig zu arbeiten, etwas zu shoppen, ein Eis zu essen, einen Kaffee zu trinken, etwas im Rathaus zu erledigen, Freizeit zu verbringen, Events zu besuchen, die Aussicht zu genießen, Kultur zu erleben, sich von Kunst beeindrucken zu lassen, sein Kind in den Kindergarten zu bringen, sich mit dem Verein zu treffen, essen zu gehen, zu wohnen, Menschen zu gucken, im Schatten zu sitzen, sich immer wieder überraschen zu lassen, sich am vielen Grün zu erfreuen, sich zu erholen, zu entspannen, Freunde zu treffen, sich zu engagieren und andere Dinge – einfach weil es ein attraktiver Ort ist. Einzelhandel und Gastronomie sind dafür essentiell, aber eben als Teil des Gesamtangebots.
Handel und Gastronomie sind essentiell
Heute wird versucht, den Handel zu unterstützen. Das ist gut. Aber dahinter steht eben das Bild eines Handels in der Innenstadt, der die Bürgerinnen und Bürger der Stadt versorgt. Diese Versorgungsfunktion hat er aber lange nicht mehr in den Ausmaß wie früher. Und Unterstützung heißt eben auch: „Wir müssen dem Handel helfen, ihn unterstützen, denn ohne Hilfe schafft er es nicht, genügend Leute anzuziehen!“ Der Handel ist also dafür zuständig, Menschen in die Innenstadt zu ziehen, die Verhältnisse in der Innenstadt zu verändern. Der Handel hat aber mit seiner eigenen Transformation genug zu tun. Und wenn er diese konsequent genug betreibt, braucht er vielleicht bald überhaupt kein Ladengeschäft mehr in der Innenstadt, weil er dann vielleicht online handelt oder sich Ladenfläche an einem frequentieren Ort anmietet.
Verantwortung bei der Stadt!
Die Verantwortung und die Zuständigkeit für eine attraktive und belebte Innenstadt liegen heute bei der Stadt! Die Stadt und damit das Parlament sind verantwortlich, ein Umfeld zu schaffen, in das die Bürgerinnen und Bürger gerne kommen. In so einem Umfeld, kann sich dann auch der lokale Handel wieder entwickeln. Diese Verantwortung bei der Stadt gilt es seitens der Politik anzuerkennen und dann die notwendigen Schritte einzuleiten.
Und die Zeit dafür läuft. Auch der lokale Einzelhandel entwickelt sich weiter, sucht nach neuen Verkaufswegen wie zum Beispiel dem Onlineverkauf. Je mehr Geschmack er daran findet, desto weniger ist er von einer Lage in der teuren Innenstadt abhängig. Im Extrem könnte das umschlagen und vielleicht muss man Einzelhändlern irgendwann Geld dafür bezahlen, dass sie AUCH in der Innenstadt ihre Waren anbieten. Teilweise ist das ja schon fast so. Manche Städte helfen Gründern im Handel und übernehmen für nicht unerhebliche Zeiten die Mieten. Auch die Zuschüsse zur „Lokalen Ökonomie“, die in Viernheim verteilt werden, weisen in diese Richtung.
Umfassendes Konzept notwendig
Die Innenstadt benötigt ein ganzheitliches Konzept. Ein bisschen Geld für die Läden, ein paar neue Steine, Make up hier, ein bisschen Grün da – das hat bisher nicht funktioniert und es gibt auch keinen Grund zu glauben, dass das in Zukunft funktioniert. Ein Konzept muss her.
Man muss sich mit der Thematik aus unterschiedlicher Perpektive intensiv auseinander setzen: aus Perspektive des Handels und der Gastronomie, aus stadtplanerischer Perspektive, aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger, aus Perspektive von Menschen, die ggf. von außerhalb unsere Innenstadt aufsuchen sollen etc.
Gemeinsam muss man daran arbeiten, einen einladenden und attraktiven Ort im Herzen unserer Stadt zu schaffen. Dieser muss den Menschen Lebensqualität bieten, soll Alt und Jung zusammen führen und Raum bieten für jegliche Form von Engagement.
Dieser Anspruch ist hoch – aber der Anspruch der Bürgerinnen und Bürger an ihre Innenstadt ist es auch. Und die kommen, wenn es eine interessante Innenstadt gibt.
Ob ein solches Konzept durch Experten oder durch ein Bürgerbeteiligungsverfahren entwickelt wird, muss die Politik entscheiden. Wichtig aber ist, dass eine hohe fachliche Expertise einfließt. Die Welt ist komplex und ein Verständnis für diese Welt muss die Basis jeglicher Entwicklung sein. Das kann aber auch durch beteiligte Bürger geschehen, die ja jeweils auch fachliche Perspektiven mitbringen. Ansonsten kann eine Bürgergruppe ja auch Experten einladen, die ihr Wissen an die Gruppe weiter geben. Für die Konkretisierung gibt es also diverse Wege, aber auch die Vorgehensweise muss um erfolgreich zu sein, gut geplant werden.
Rathaus als Frequenzbringer
Sicherlich muss man die Gesamtgestaltung der Innenstadt nochmal überdenken und damit auch die gerade erst abgeschlossene Sanierung des Bodenbelags nochmal überdenken. Ansonsten stellt sich die Frage, welche weiteren Gestaltungsmöglichkeiten überhaupt noch bleiben. Daher sollten (oder MÜSSEN) wir das Rathaus ist die Überlegungen zur Innenstadt einbeziehen. Ich vermute, dass das Rathaus noch eine große Chance für die Innenstadt werden kann, wenn man bereit ist, bezüglich der Sanierung noch einmal inne zu halten und das Rathaus nicht nur als Bürogebäude für die städtischen Mitarbeiter zu sehen, sondern als möglichen Frequenzbringer für die Innenstadt.
Ein Rathaus, zum Beispiel, mit zusätzliche Räumen für die Volkshochschule, einen Coworking-Space, einen Kindergarten, Event- und Freiflächen für Veranstaltungen, Konzerte und verschiedenes mehr, könnte das Rathaus die Chance werden, mehr Menschen in die Innenstadt zu bringen. Und das ist es, was die Innenstadt braucht: mehr Menschen! Wenn mehr Menschen kommen, ist das gut für den Einzelhandel, dieser wird sein Angebot auf diese Menschen ausrichten und diese kommen noch lieber in die Innenstadt. Gleiches gilt für die Gastronomie. Hier liegt also eine Chance, die man schnell nutzen müsste.
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