Ich kandidiere!
Liebe Viernheimerinnen und Viernheimer!
Im Frühjahr 2021 stehen die Kommunal- und Bürgermeisterwahlen an. Vier Kandidaten haben sich bisher gemeldet und wollen im März kommenden Jahres Bürgermeister werden. Amtsinhaber Mattias Baaß will „weiter so“, der erste Herausforderer Bernhard Kammerer, unterstützt von einer zahlenmäßigen Mehrheit im aktuellen Stadtparlament will den Stillstand beenden und Thomas Kauder, seit einigen Jahren Magistratsmitglied, will einen Wechsel. In den ersten Verlautbarungen wollten alle irgendwie Klimaschutz und Digitalisierung. Kürzlich kam noch Ralf Kempf als vierter Kandidat hinzu. Gut so.
Abgesehen von der Frage, warum denn insbesondere die neuen Kandidaten nicht schon ihre aktive Zeit als Stadtverordneter und Magistratsmitglied genutzt haben, Dinge zu verändern, freue ich mich als Bürger, endlich mal wieder Alternativen zur Wahl zu haben.
Reichlich zu tun!
Und zu tun gibt es in Viernheim reichlich. Warum kann ich meinen neuen Personalausweis nicht online beantragen? Warum muss ich ihn bar bezahlen, wo ich doch wegen Corona überall angehalten bin, möglichst mit Karte zu bezahlen? Und wo ist das Null-Energie-Rathaus? Das Null-Energie-Bürgerhaus? Sind die Dächer der städtischen Gebäude wohl mit Sonnenkollektoren vollgepflastert? Mitnichten. Klimaschutz und Digitalisierung tun also Not. Die Frage ist, warum sind wir da noch nicht viel weiter? Alle drei Kandidaten haben mit ihrem Engagement in der Kommunalpolitik seit vielen Jahren hierzu bereits die Gelegenheit.
Und die Themen sind ja durchaus zahlreich. Die Innenstadt ist nach wie vor ein großes Problem. Für den Einzelhandel allemal und als attraktiver Treffpunkt für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt ist sie auch nicht gerade bekannt. Oder der Tivolipark. In den vergangenen Jahren für einen Besuch eher unattraktiv. Vielleicht eignet sich „naturnahe Bewirtschaftung“ für einen Stadtpark nicht so wirklich? Dafür wird der Grünstreifen zwischen Wormser und Nibelungenstraße regelmäßig gewässert, gemäht und frisch bepflanzt.
Oder die schon jahrzehntelang diskutierte Rathaussanierung, die in den letzten Monaten wieder hoch gekommen ist. Aktuell wird gestritten, ob es sinnvoll ist die neuen Fassadenteile an den alten zu befestigen, wo doch die gesamte Sanierung deswegen notwendig ist, weil die alten Fassadenteile aus Altersgründen herabfallen. Oder die Unzufriedenheit vieler, dass das gesellschaftliche Miteinander immer schlimmer wird. Oder oder oder.
Falsche Prioritäten, Maßnahmen ohne einen Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger, das Herumdoktern an Symptomen statt das Lösen von Problemen, eindimensionale Lösungen, die als Kollateralschäden gleich die nächsten Probleme auslösen – alles das macht nicht gerade Mut für die Zukunft Viernheims.
Kein „Weiter so“!
Ein weiter so, geht auf keinen Fall. Und „Aufschwung“, Digitalisierung, Klimaschutz und einem Viernheim als Fahrradstadt sind wohl eher als Wahlversprechen einzuordnen, wenn man gleichzeitig schaut, über was denn in der Presse gestritten wird. Da ging es (zu) lange vor allem um Nichtigkeiten wie die Rechenkünste des Bürgermeisters, die Realisierbarkeit der Idee einer Bauernhof-Kita oder um die vermeintlichen Wohnungsprobleme eines der Bürgermeisterkandidaten. Können wir dieses Schauspiel und diese Selbstinszenierung jetzt brauchen? Inmitten einer Pandemie, die die Schwächen, die wir haben, gnadenlos aufzeigt?
Was wir brauchen sind tatsächliche Lösungen für die aktuellen Probleme. Wir brauchen eine gemeinsame Idee, wie wir uns als Stadtgesellschaft die Zukunft Viernheims vorstellen. Davon sind wir aktuell noch weit entfernt.
Aufruf zum Wettbewerb der Ideen!
Ich wünsche mir einen Wettstreit um die beste Vision für Viernheim, um die besten Ideen, um Viernheim voran zu bringen, um Mehrwerte für die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen. Dann hätten wir Bürgerinnen und Bürger tatsächlich eine Wahl.
Meine Kandidatur
Ich selbst werfe hiermit als weiterer Bewerber um das Amt des Bürgermeisters meinen Hut in den Ring. Ich sehe, dass in Viernheim viel Gutes passiert ist und weiterhin passiert. Aber in den heutigen Zeiten muss es viel schneller und fokussierter gehen. Zugunsten der Zukunft der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger. Ein bisschen frischer und parteiunabhängiger Wind von außen, wird Viernheim ganz gut tun. Wir müssen wieder „Lust auf Viernheim“ machen!
Gesellschaftlichen Wandel verstehen
Wir befinden uns inmitten eines großen gesellschaftlichen Wandels. Der hat schon Jahre vor Corona begonnen und Corona legt nun gnadenlos die Schwächen offen. Unternehmen werden auf den Kopf gestellt, Geschäftsmodelle überholen sich von heute auf morgen, neue Wettbewerber treten auf und fegen große etablierte Unternehmen einfach vom Markt. Der Einzelhandel hat mit dem Onlinehandel zu kämpfen, jeder einzelne Arbeitnehmer wird mehr lernen müssen, um weiterhin mit seinem Wissen für die Arbeitgeber interessant zu sein. Damit müssen wir umgehen! Auch als Stadt.
Den etablierten Institutionen wie Vereinen, aber auch Parteien, bleiben die Menschen fern. Die Menschen wollen weiterhin gerne singen, dies aber eher beim „Rudelsingen“ als im Verein, sie wollen politisch mitreden, sich aber nicht in Parteien engagieren, sie suchen sich ein Thema für ihr Engagement und gründen ihre eigene soziale Initiative oder gar ihr soziales Unternehmen. Die Bedürfnisse der Menschen haben sich gar nicht so wirklich verändert, eher die Ausdrucksweise. Wir alle als Stadtgesellschaft müssen verstehen, was sich da verändert hat, um dann die richtigen Antworten darauf zu finden. Alles andere geht am Ziel vorbei.
Ringen um Ideen
Daher freut es mich, dass es nun schon vier Bewerber für das Amt des Bürgermeisters gibt. Auch die Kampagne „Viernheim kann mehr“ der CDU fand ich vielversprechend und hoffe, die anderen Parteien und Wählergruppen ziehen mit ähnlichem nach. Ich hoffe auf mehr Diskussion, am besten breit mit vielen Bürgerinnen und Bürgern, am besten AUCH digital, und am liebsten jenseits der Grenzen von Parteien und Wählergruppen – aber das dürfte schwierig werden im Rahmen der Kommunalwahl. Dann haben wir als Bürgerinnen und Bürger am Ende tatsächlich eine Wahl und müssen nicht wieder überlegen, welches wohl das kleinere Übel ist.
Ich wünsche mir, dass wir nicht einen Wahlkampf der Schlagworte, der Lager und der persönlichen Inszenierung haben werden. Ich wünsche mir einen Wahlkampf der Ideen, der kritischen Diskussion, dem respektvollen Ringen um potenzielle Lösungen. Innerhalb der Parteien und Wählergruppen, zwischen den Parteien und Wählergruppen. Dann haben wir am Ende tatsächlich eine Wahl.
Ich möchte selbst einen Beitrag zu dieser spannenden Diskussion leisten. Aus beruflicher Perspektive beobachte ich diese gesellschaftlichen Veränderungen in unterschiedlicher Funktion und Aufgabe bereits Zeit gut zehn Jahren. Aus dieser Erfahrung kann ich sicherlich das eine oder andere nützliche beitragen.
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