Hat die Politik ein Interesse an mehr Wahlbeteiligung? Vermutlich nicht…
Am 14. März 2021 ist Kommunal- und Bürgermeisterwahl. Der Wahlkampf läuft auf Hochtouren, alle haben die besten Konzepte und Programme (Ich, als Bürgermeisterkandidat natürlich auch…). Wie viele Stimmen braucht man eigentlich, um gewählt zu werden? Ich möchte ein paar Gedanken dazu mit Ihnen teilen.
Bei der letzten Kommunalwahl haben nur 41,2 Prozent der Bürgerinnen und Bürger überhaupt gewählt. Diese Zahl ist an sich schon erschreckend, aber letztendlich heißt das, dass sich rund 60 Prozent aus der politischen Entscheidungsfindung verabschiedet haben. Das ist die Mehrheit! Die Mehrheit der Wahlberechtigten nutzen ihr Recht nicht.
Aufruf „Geht wählen!“ zieht nicht
Der Politik hingegen scheint das recht zu sein. Es gibt zwar immer wieder Aufrufe „Geht wählen!“ oder „Macht von Eurem Wahlrecht Gebrauch!“, das hat aber bisher nicht wirklich zu Veränderungen geführt. In den Sozialen Medien kann man einen Eindruck bekommen, warum das so ist: man glaubt den Wahlversprechen nicht, es fehlt das Vertrauen in die Politikerinnen und Politiker und es wird gesehen, dass es ja auch nicht wirklich vorangeht etc. Die Nichtwählerinnen und Nichtwähler haben also gute Gründe.
„Wer nicht wählt, unterstützt die AFD“
Das ist dann das nächste Argument gegenüber Nichtwählerinnen und Nichtwählern: „Wer nicht wählt, unterstützt die AFD!“. Wie geschieht diese Unterstützung? Ganz einfach, offenbar gelingt es der AFD ihre Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren. Das Problem ist dabei aber nicht die AFD. Das Problem sind die etablierten Parteien, denen es NICHT gelingt, genügend Menschen von ihren Ideen zu überzeugen und für ihre Ideen zu mobilisieren. Offenbar gehen also viele Parteiprogramme an den Bürgerinnen und Bürgern vorbei.
Es kann doch nicht sein, dass der einzige Grund, wählen zu gehen (und natürlich die etablierten Parteien zu wählen) dann ist, die AFD oder sonstwen zu verhindern? Sind die etablierten überhaupt gewillt, sich um die Menschen und deren Bedürfnisse, deren Denken zu kümmern? Offenbar eher nicht, sonst würden sie nicht so argumentieren.
Wie viele Wähler braucht’s denn?
Wie viele Wählerinnen und Wähler muss man denn überhaupt gewinnen? Bei der letzten Kommunalwahl gab es in Viernheim rund 25.400 Wahlberechtigte. Davon sind 41,2 Prozent, also rund 10500 zur Wahl gegangen. Will man als Bürgermeister gewählt werden, muss man also im ersten Wahlgang 5251 Stimmen erhalten und ist mit über 50 Prozent gewählt. Nur 5251 Stimmen! Das sind 20 Prozent der Wahlberechtigten. Man muss also nur 20 Prozent der Wahlberechtigten dazu bringen, für einen zu stimmen und schon ist man im ersten Wahlgang Bürgermeister geworden. Also 20 Prozent reichen, um dann mit 50 Prozent gewählt zu sein… Klingt komisch, ist aber so.
Die Politik hat überhaupt kein Interesse an mehr Wählerinnen und Wählern!
Die Politik dürfte also überhaupt kein Interesse daran haben, dass sich mehr Menschen an der Wahl beteiligen. Denn dann müssten sie ja mehr Menschen von sich überzeugen? Schwierig wenn man zum Beispiel eine Ideologie verfolgt, die nicht mehrheitsfähig ist. So wie es ist, ist es ja viel einfacher, sich durchzusetzen mit seinen Ideen.
Das Gleiche gilt natürlich auch für das Stadtparlament. Wenn nur 10.000 zur Wahl gehen, muss eine Partei, die die absolute Mehrheit im Parlament haben will, nur schlappe 5000 Leute bewegen. Und für 30 Prozent der Sitze im Parlament reichen 3000 Stimmen.
Offenbar geht die bestehende Politik also ein gutes Stück weit an der Mehrheit der Menschen vorbei! Und diese honorieren es durch das Fernbleiben von den Wahlen.
Das Problem sind die Probleme, die sich daraus erst ergeben. Eine „Machtübernahme“ ist aufgrund dieser Zahlenspiele ja durchaus möglich.
Und Sie als Kandidat?
Und am Ende ist natürlich die Frage berechtigt, was ich als Bürgermeisterkandidat aus den Zahlenspielen lerne und wie viele der „nur“ 5000 Stimmen ich schon zusammen habe. Meine Antwort darauf lautet: KEINE AHNUNG!
Für mich kommen in der Kandidatur viele Dinge zusammen. Zum einen die Unzufriedenheit über die Politik – auf kommunaler Ebene als auch auf Landes- und Bundesebene. Als Zweites kommt hinzu die Frage, welche Möglichkeiten es für Bürgerinnen und Bürger gibt, sich einzubringen, und zwar so, dass man auch Erfolge seines Engagements sieht. Und der dritte Punkt ist, ob ich es überhaupt drauf anlege, UNBEDINGT Bürgermeister werden zu wollen.
Meine Unzufriedenheit über die Politik
Ja, ich bin selbst unzufrieden wie vieles hier läuft. Und manchmal muss man sich eben einbringen und anbieten es besser zu machen. Deswegen kandidiere ich als unabhängiger Kandidat. Unabhängig von Parteien und Parteiprogrammen, unabhängig im Denken und Handeln.
Möglichkeiten, sich einzubringen
In Viernheim gibt es ein paar wenige Möglichkeiten, sich in die politische Diskussion einzubringen. Wir haben immer wieder Bürgerbeteiligungsverfahren, in denen Bürgerinnen und Bürger an Lösungen für bestimmte Probleme arbeiten. Eines der letzten war wohl die Bürgerbeteiligung rund um den Tivolipark. Diese waren in der Vergangenheit eher Projektbezogen und oft auch nicht offen für alle, die Interesse hatten.
Dann gibt es die Möglichkeit, Leserbriefe zu schreiben. Das Viernheimer Tageblatt und Viernheim-Online.de veröffentlichen hier sehr gerne Beiträge und sorgen damit für ein Stück weit Öffentlichkeit. Der Südhessen Morgen geht damit restriktiver um. Ich selbst habe in der Vergangenheit immer wieder mal Leserbriefe veröffentlicht, aber die Wirkung ist doch sehr begrenzt.
Ein Engagement in Parteien und Wählergruppen ist möglich. Soweit ich weiß, bieten viele, wenn nicht sogar alle, die Möglichkeit an Sitzungen teilzunehmen und freuen sich über neue Mitstreiter. Allerdings ist das nicht mein Weg, denn ich wüsste gar nicht, mit welcher Partei ich anbändeln sollte. Alle Parteien haben für mich unterstützenswerte Themen und andere, die ich absolut nicht mitgehen kann.
Was für mich bleibt ist die unabhängige Kandidatur. Bei dieser Wahl gehe ich diesen Weg und wir werden sehen, welchen Erfolg das bringt. Aber auch das ist nicht der Weg, den viele gehen würden, denn dieser Weg ist durchaus zeitaufwändig.
Damit und ansonsten sind die Möglichkeiten einfach eingeschränkt, sich politisch einzubringen und zu engagieren. Daher habe ich großes Verständnis dafür, dass sich viele, die sich nicht gehört und berücksichtigt fühlen, aus der Politik und den Wahlen verabschiedet haben. Gesellschaftlich ist das aber ein großes Problem!
Will ich UNBEDINGT Bürgermeister werden?
Jain… Klar will ich Bürgermeister werden, denn sonst hätte ich den Aufwand nicht auf mich genommen. Ich glaube, dass ich mit dem was ich an Erfahrungen und Wissen, aber auch mit meiner Art die Dinge zu denken, mitbringe, die Stadt Viernheim ein sehr gutes Stück voranbringen kann.
UNBEDINGT muss ich nicht Bürgermeister werden. Es gibt andere schöne Aufgaben auf dieser Welt. Aber ich WILL Bürgermeister werden, WENN es eine Mehrheit in der Bevölkerung gibt, die die Veränderung will, die will, dass die Stadt sinnvoll auf die Zukunft eingestellt wird und die will, dass sich in Bezug auf die Möglichkeiten der politischen Teilhabe Dinge verändern. Das ist ein Thema (unter vielen anderen), die mir wichtig sind und wo ich bereits weiterführende Gedanken aufgeschrieben habe.
DAS ist ein wichtiges Ziel, denn hier entscheidet sich sicherlich auch die zukünftige Entwicklung der gesamten Gesellschaft. Es muss eine Politik für alle geben. Dazu muss man niedrigschwellige Möglichkeiten der politischen Beteiligung schaffen, die die Leute eher anzieht, als abschreckt.
„Wahlversprechen“
Mein „Wahlversprechen“ ist daher, dass ich bei dieser Wahl im ersten Wahlgang ein klares Votum für mich als Bürgermeisterkandidat erwarte. Sollte ich weniger als 30 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten, verspreche ich, meine Bewerbung für den zweiten Wahlgang zurückzuziehen. Das gilt auch für den Fall, dass ich nur 29 Prozent der Stimmen erhalten sollte. Beim zweiten Wahlgang trete ich dann nicht mehr an. Versprochen.
30 Prozent der Stimmen klingt viel, bei fünf angetretenen Kandidaten. Im Vergleich zu der Zahl der Wahlberechtigten ist es immer noch wenig. Mein Ziel ist es, in den kommenden vier Jahren bis zur nächsten Kommunalwahl Beteiligungsmöglichkeiten zu schaffen und damit wieder mehr Menschen an den politischen Entscheidungen zu beteiligen. Ziel muss sein, bei der nächsten Kommunalwahl mindestens 50 Prozent der Wahlberechtigten dazu zu bringen, ihre Stimme abzugeben. Zur Not als ungültige Stimme. Das wäre immerhin ein Zeichen an die etablierten Parteien.
Als Bürgermeister würde ich davon auch abhängig machen, ob ich nach sechs Jahren zur Wiederwahl antrete. Allerdings will ich dazu aktuell keine konkrete Aussage treffen, denn dazu müssen die dann aktuellen Umstände einbezogen werden. Insofern ein „typisches Wahlversprechen“ – aber erinnern Sie mich gerne dran, wenn es so weit ist. Ich würde es dann auf jeden Fall begründen.
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