Flüchtlinge: Wie ernst nimmt die Stadt die Ängste der Bürger?
Für die Verantwortlichen von Stadt und Polizei war die Informationsveranstaltung zum neuen Flüchtlingsheim am Heinrich-Lanz-Ring sicherlich kein leichter Gang. Gut, dass sich die Verantwortlichen den Bürgern gestellt haben! Das Thema ist heikel und es gilt zu bedenken, dass die meisten Flüchtlinge eben keine Messerstecker und Vergewaltiger sind. Genauso wie die allermeisten Bürger, die sich hier kritisch äußern, keine Ausländerfeinde sind. Ein gutes Zeichen für Viernheim, dass diese Balance an dem Abend gut gelungen ist.
Nichtsdestotrotz: Die Masse an Flüchtlingen in der Stadt und dann auch noch an einem Standort macht vielen Bürgerinnen und Bürgern Angst: Angst um die Sicherheit ihrer Kinder, ihrer Familien, Angst, demnächst in einem Brennpunkt zu wohnen und vieles mehr.
Die Stadt argumentiert dagegen mit Zahlen und schönen Worten. Gegen die Angst hilft das nicht und auch die Erfahrungen der Bürgerinnen und Bürger spricht dagegen. Es gibt eben durchaus Erfahrungen, wo die Polizei NICHT gleich da war oder es werden Fälle kleinerer Übergriffe gar nicht erst gemeldet. Bringt ja doch nichts. Gegen die Angst hilft das alles nicht. Und Angst macht das Leben in Viernheim nicht gerade attraktiver!
Wenn der Bürgermeister auf die Argumente dann sagt, dass er die genannten Punkte nochmal mitnimmt, aber im selben Atemzug sagt, dass er nicht glaubt, dass sie von der Entscheidung nochmal weggehen, ist das kein gutes Zeichen. Die drei Viertel der Besucher, die auf diesen Satz aufgestanden und gegangen sind, haben das sehr deutlich gemacht.
Können wir dem ersten Stadtrat glauben, wenn er sagt, dass die Verwaltung sehr viele andere Standorte intensiv geprüft habe und dann auf konkrete Nachfrage keinen einzigen benennen kann? Und wie ist das eigentlich: Wenn Friedrich-Ebert-Straße und Heinrich Lanz Ring die letzten beiden möglichen Standorte sind, heißt das dann, dass es in Zukunft keine weiteren mehr geben KANN? Kann es sehr wohl und ist nicht auszuschließen. Auch die Reaktion der Vertreter von Stadt und Politik auf die Frage, wer denn von ihnen in der Nähe eines Flüchtlingsheims wohne, sprach Bände. Betretenes Schweigen. Offenbar niemand.
Der Bürgermeister wies dann noch darauf hin, dass Viernheim mit dem Angebot von Sprachkursen und einer Betreuung vor Ort mehr macht als viele andere Kommunen. Sprachkurse sind meines Wissens für Flüchtlinge überall Pflicht. Bei der Betreuung mag es andere Kommunen geben, die es schlechter machen. Aber es gibt ganz sicher auch solche, die es deutlich besser machen! Genauso die Argumentation mit der Alternativlosigkeit des Vorgehens. Politik ist nie alternativlos, oft hat sie einfach nur keine besseren Ideen oder den Zug der Zeit verpasst.
So kann man in der Presse von Rüsselsheim lesen, die schon vor 10 Jahren angefangen haben, Wohnraum für Flüchtlinge außerhalb von Hotels und Containerdörfern zu schaffen und diesen dann irgendwann als bezahlbaren Wohnraum auf dem Markt anzubieten. Oder Projektbeispiele wie aus Hechingen, wo ein altes Hotel als Flüchtlingsheim genutzt wird und von den Flüchtlingen das Café „Refugio“ betrieben wird, mit dem Ziel Flüchtlingen frühzeitig Arbeit zu geben. Oder die Beispiele des bayerischen Hebertshausen oder von Unterföhring, denen die Integration der Flüchtlinge viel besser gelingt und sie infolgedessen doppelt so viele Flüchtlinge aufgenommen haben, als sie müssten. Mit voller Unterstützung der Bürgerschaft! Es gibt so viele Beispiele, wo Kommunen mehr machen als Sprachkurse und eine Vor-Ort-Betreuung. Von Alternativlosigkeit also keine Spur. Kreativität und „Machen Wollen“ wären in Viernheim hilfreich.
Viernheim kann es viel besser machen. Eine Halbierung des Standorts am Heinrich-Lanz-Ring wäre der erste Schritt. Dies vor allem als Signal an die Bürgerinnen und Bürger, dass der Freitagabend nicht umsonst war. Dass es nicht umsonst ist, sich einzubringen, mit guten Argumenten und mit den politisch Verantwortlichen ins Gespräch zu gehen. Dass es sich lohnt, sich zu engagieren und gemeinsam zu besseren Lösungen zu kommen.
Dann sollte die Stadt die Bürgerinnen und Bürger in die Pflicht nehmen und gemeinsam nach weiteren Standorten in Viernheim suchen. Hier können gute Lösungen entstehen. Vielleicht sind es kleinere verteilte Standorte? Vielleicht findet man noch mehr Leerstände, die die Stadt nutzen kann? Vielleicht gibt es gute Ideen für eine schnellere und bessere Integration? Vielleicht entsteht dadurch mehr Engagement der Bürgerschaft, die Integration zu unterstützen?
Vor allem aber muss es mehr Einsatz geben für die Argumente der Bürgerinnen und Bürger. Die Ängste muss man ernst nehmen und dafür Lösungen anbieten. Dies hier kleinzureden unter Zuhilfenahme von Zahlen, die nur die halbe Wahrheit erzählen, ist unlauter.
Links:
Bericht über Rüsselsheim in der FR
Bericht über Hebertshausen auf tagesschau.de
Bericht über Unterrföhring im Merkur
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