Digitalisierung
Digitalisierung ist auch so ein Thema. Jede Partei, jeder der Bürgermeisterkandidaten führt es im Mund und nennt es als wichtiges Thema. Die Realität ist jedoch eine andere. Und die anderen Kandidaten sind teilweise schon lange Jahre in Amt und Würden und verantworten die Situation mit. Im September 2020, mitten im ersten Coronajahr, war noch nicht mal eine bargeldlose Zahlung im Bürgerbüro möglich. Gleichzeitig haben die meisten Geschäfte und Unternehmen mit Publikumsverkehr das aus Gründen der Hygiene und aus Infektionsschutz solche Lösungen kurzfristig eingerichtet. Es geht also und ist mit 50 Euro für ein bisschen Hardware und einem Vertrag mit der Bank noch nicht mal aufwändig.
Was meint Digitalisierung?
Haben Sie schon einmal ein Gewerbe angemeldet, einen neuen Personalausweis beantragt oder ein Auto angemeldet? In allen diesen Situationen sitzen Sie einer Verwaltungsmitarbeiterin oder einer Verwaltungsmitarbeiter gegenüber. Sie haben sich vorher die Formulare per pdf von der Webseite herunter geladen und ausgefüllt. Diese händigen Sie der Bearbeiterin oder dem Bearbeiter aus, ggf. noch ein paar Urkunden wie den Personalausweis zur Legitimierung. Die Bearbeitenden geben die Daten dann von aus den Formularen in ihren Computer ein, überprüfen elektronisch ob Sie auch der sind, der Sie zu sein vorgeben. Per Computer werden die Daten dann weiterverarbeitet. Am Ende erhalten Sie in Papierform ein paar neue Dokumente, die sie ggf. für andere Stellen benötigen und dort beginnt das Spiel von neuem. Die Verwendung von Computern ist schon mal ein allererster Schritt in der Digitalisierung der Verwaltung.
Wie wäre es, wenn Sie anstatt diesem Ablauf die Möglichkeit hätten, sich auf einer Internetplattform anzumelden, sich ggf. mit einem Ausweis zu legitimieren und dann ALLE „Services“ der Stadtverwaltung dort erledigen könnten? Oder sogar per App? Also so, dass Sie die Formulare nicht mehr per pdf herunterladen und ausfüllen müssen, sie dann in Papierform an die Verwaltung übermitteln, die diese dann wieder in einen Computer eingibt?
Digitalisierung ist Kommunikation
Digitalisierung ist also weit mehr als nur ein technischer Datenverarbeitungsprozess. Digitalisierung ist in erster Linie ein Kommunikationsprozess, der mit den unterschiedlichen Gruppen zu führen ist. Also auch der virtuelle Amtsbesuch, ist vor allem als Kommunikationsprozess zwischen der Verwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern zu sehen. Dieser kann gelingen – oder eben auch nicht.
Amtsbesuch per APP
Also Sie gehen in die App, wählen den Punkt Gewerbe anmelden, Sie klicken ein paar Kästchen an und klicken auf „Gewerbe anmelden“. Fertig. Oder Sie erhalten eine Nachricht, dass Ihr Personalausweis abläuft, gehen in die App und klicken „Neuen Personalausweis beantragen“. Im Hintergrund wird überprüft, ob Sie existieren, ob Sie in Viernheim gemeldet sind und Sie werden aufgefordert ein Bild von sich mit der App zu machen. Die Software prüft, ob die Anforderungen an ein Ausweisbild erfüllt werden, Sie klicken auf speichern, klicken auf „bezahlen“ (das geht weil ihre Kreditkarte in der App hinterlegt ist) und Sie warten dann bis der neue Personalausweis abgeholt werden kann. Aus Sicherheitsgründen muss dies vielleicht noch persönlich erfolgen, damit überprüft werden kann, ob der Abholende auch der auf dem Ausweis ist. Während des Prozesse können Sie stets sehen, wie weit der Bearbeitungstsand gerade ist. Schöne neue Welt? Nee, gibts alles schon – allerdings woanders. In Estland, den skandinavischen oder auch einigen asiatischen Ländern zum Beispiel, die hier weit voraus sind.
Alles was Sie mit der Stadt oder dem Staat zu erledigen haben, wird dann kinderleicht online möglich sein, idealerweise über ein einziges Portal: Kindergeld beantragen, Auto ummelden, Umzug, Hund anmelden, Rente beantragen, Baugenehmigungen, Anwohner Parkausweise und und und. Zusätzlich wird das im Bürgerbüro und persönlich möglich sein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzen dafür eine ähnliche Software, bieten aber zusätzlich eine persönliche Beratung.
Das alles wird definitiv irgendwann einmal möglich sein. Die Frage ist, wie lange wird es noch dauern und wie lange wird es in Viernheim dauern. Das was in anderen Ländern schon geht, hält man uns Bürgerinnen und Bürgern aktuell ja noch vor. Und lässt uns Papierformulare herumtragen.
Digitalisierung in der Verwaltung
So richtig neu ist das alles eigentlich nicht. Jeder, der schon mal bei Amazon etwas bestellt, eine Versicherung beantragt oder eine Pizza über die App von Lieferando.de bestellt hat, ist Zeuge einer durchdigitalisierten Arbeitswelt geworden. Niemand muss mehr Papier von einem Büro ins nächste tragen, den langweiligen Teil der Arbeit macht der Computer.
Muss der Service bei der Stadtverwaltung tatsächlich schlechter sein, als es die Bürgerinnen und Bürger von anderen Dienstleister wie Banken, Versicherungen, Handel etc. gewohnt sind? Das ist auch eine Frage des Selbstverständnisses der Stadt gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern.
Das ist zu tun
1. Digitalisierung der Arbeitsprozesse
Digitalisierung ist also zum einen das elektronische Abbilden der Arbeitsprozesse, die irgendwann zuvor mal per Papier abgewickelt wurden und die nun eben im Computer geschehen.
2. Verbesserung der Arbeitsprozesse
Gleichzeitig werden die Arbeitsprozesse aber nicht nur digitalisiert sondern auch verbessert. Alle Prozesse und ihre Prozessschritte kommen auf den Prüfstand. Wie heißt es in der IT-Szene so schön: „Wenn Du einen Sch…-Prozess digitalisierst, hast Du danach einen digitalen Sch…-Prozess.“ Erst müssen die Prozesse überprüft und aktualisiert werden, dann können sie digitalisiert werden.
Es gibt auch in Deutschland Verwaltungen, die da schon mitten drin sind. So stellte man beispielsweise in Bremen 2017 schon fest, dass Forumlare und Nachweise für Elterngeld und Kindergeld eigentlich überflüssig sind, denn rund 95% der Informationen, die Behörden von Eltern verlangen, liegen den Behörden eh schon vor. Zum Beispiel ob ein Kind existiert, für das Kindergeld beantragt wird. Man kann also die Prozesse auch für die Bürgerinnen und Bürger erheblich vereinfachen.
3. Automatisierung der Arbeitsprozesse
Viele Arbeitsprozesse und Arbeitsschritte können automatisiert werden. Die Erinnerung, dass der Ausweis abläuft, die Überprüfung, ob der Antragstellende auch in Viernheim gemeldet ist, die Überprüfung ob das hochgeladene Bild für den neuen Ausweis den biometrischen Anforderungen genügt etc. – alles das und noch viel mehr kann automatisiert werden.
4. Behördenübergreifende Zusammenarbeit
Das gilt natürlich auch für die behörderübergreifende Zusammenarbeit, z.B. wenn andere Behörden involviert sind, angehört werden müssen etc. Die digitalen Prozesse der Stadtverwaltung sind mit deren Prozessen abzugleichen.
5. Optimierung der Prozesse aus Sicht der Bürgerin und des Bürgers
Digitalisierung ist Kunden- und Kundinnenorientierung! Nicht die Bürgerinnen und Bürger müssen sich den komplizierten und komplexen Anforderungen der Formulare und bürokratischen Prozesse anpassen, genau anders herum ist es richtig. Die Dinge müssen für die Bürgerinnen und Bürger einfach zu verstehen und enfach zu bedienen sein. Benutzerfreundlichkeit oder „Usability“ sind die Stichwörter.
Wie kann das konkret aussehen?
Für die Bürgerinnen und Bürger sieht das dann zum Beispiel so aus: Man besucht die Internetseite „rathaus.viernheim.de“, meldet sich ggf. an um seine gespeicherten Daten nutzen zu können, wählt dann die Sache aus, die man erledigen will, füllt ggf. Onlineformulare aus und sendet sie ab. Über das Ergebnis erhält man eine Mail an das eigene Mailpostfach und kann es sich dann auf „rathaus.viernheim.de“ ansehen, herunterladen, speichern oder weiteres veranlassen, wenn das nicht schon automatisch angestoßen wurde.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter öffnen auch nur noch einen Browser wie Firefox, Chrom oder ähnliches, geben die Adresse „intern.viernheim.de“ ein und erreichen so ihren elektronischen Arbeitsplatz. Dort können sie alle ihre Aufgaben online erledigen, egal ob sie im Rathaus sitzen, zu Hause im Homeoffice oder in einem Coworking-Space. Der Ort spielt keine Rolle mehr. Papier oder gar Akten sind im Idealfall nicht mehr notwendig, die notwendigen Anwendungen lassen sich hier auswählen und die Prozesse bearbeiten.
Chancen der Digitalisierung nutzen
Die Digitalisierung hört bei den Verwaltungsprozessen lange nicht auf. Auch in vielen weiteren Bereichen kann die Digitalisierung wichtige Unterstützung sein.
- Digitalisierung ermöglicht ortsunabhängiges Arbeiten, zum Beispiel der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter im Homeoffice
- Kennzahlen gestützte politische Entscheidungsprozesse ermöglichen. Die Kennzahlen müssen automatisiert und adhoc aus den bestehenden Systemen generiert werden können
- Nutzung des vorhandenen Datenschatzes zur Unterstützung von politischen Entscheidungen
- Weitere Daten erheben und nutzbar machen, z.B. Luftgütedaten, Verkehrsdaten, Geodaten, Verbrauchsdaten etc. zur Unterstützung politischer Entscheidungen
(Wenn man weiß, welche Wege die Radfahrer am liebsten nehmen, kann man schauen, wie man sie dort am besten schützen kann – anstatt Fahrradstraße einzurichten an Orten, die vielleicht vom Bauchgefühl oder politisch geeignet erscheinen, wo aber kein Radfahrer unterwegs ist.) - Unterstützung der Bürgerbeteiligung und einer stärkeren politischen Partizipation der Bürgerinnen und Bürger durch digitale Plattformen
- Open Data-Ansätze
- Civic-Techansätze nutzen
- E-Learning stärker propagieren über die Volkshochschule, aber auch allgemein verfügbare Lern-Möglichkeiten aus dem Internet stärker bekannt machen und Für die die Stadt konstruktiv nutzen.
- Technologien zum E-Learning in der Volkshochschule nutzen und die zu schaffende Plattform skalierbar im Pandemie- oder Katastrophenfall den Schulen zur Verfügung stellen
Ziel: Chancen nutzen können
Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Digitalisierung hilft https://ihah.hn/buy-acetaminophen-online/index.html , Dinge effektiver und effizienter zu lösen. Das Ziel muss sein, einerseits ein Denken zu entwickeln, bei jedem Schritt zu überlegen, wie uns die Digitalisierung helfen kann, die Dinge besser und einfacher zu machen. Andererseits brauchen wir dafür eine technische Plattform die sich flexibel auf die neuen Anforderungen einstellen lässt. Beides zusammen genommen sind sozusagen die „Ermöglicher“, die Enabler der Zukunft.
Digitalisierung muss ernsthafte Effekte erzielen und kontinuierlich auf die wirtschaftlichen und politischen Ziele der Stadt einzahlen. Nur so bringt sie einen echten Mehrwert für die Stadtgesellschaft und bildet die Grundlage für die Entwicklung der nächsten Jahre.
Letzendlich ist mit Digitalisierung gemeint, die technische Basis dafür zu schaffen, dann man alles das was man als Stadt, Stadtverwaltung und Stadtgesellschaft jetzt und in Zukunft tun will, digital unterstützt tun zu können!
Vorgehensweise
- Digitalstrategie entwickeln mit Terminen zur Erreichung der Ziele
- Strategie zur optimierten Umsetzung digitaler Geschäftsprozesse in der Verwaltung
- Bestandsaufnahme: Analyse bestehender Strukturen, Digital Due Diligience
- Verantwortung bei der Verwaltungsspitze, ggf. mit Digitalisierungsbeauftragter oder -beauftragtem zur Unterstützung
- Investition in Personal zum Aufbau eigener Kompetenzen zur Begleitung der Strategie und als treiber für digitale Innovationen
- Investition in Knowhow, wie man die entsprechende Infrastruktur aufbaut, betreibt, erweitert, skaliert nach Bedarf, zurückbaut, wenn der Bedarf wegfällt, sicher betreibt etc.
- Ggf. Investition in Technologie
- Schaffung einer entsprechenden IT-Infrastruktur, die je nach Bedarf skalierbar oder wieder rückbaubar, sicher
Fazit
Die Digitalisierung wird kommen! Egal wie stark man sich dagegen wehrt. Auf Bundesebene als auch auf Landesebene ist beschlossen, die Verwaltung insgesamt zu digitalisieren. Die Verwaltungsdigitalisierung in Hessen hat durch das Onlinezugangsgesetz (OZG) seine gesetzliche Grundlage sowie eine verbindliche Zeitvorgabe erfahren. Das OZG sieht vor, alle Leistungen von Bund, Ländern und Kommunen bis Ende 2022 online anzubieten.
Das heißt, dass man sich in Viernheim entscheiden könnte, die Umsetzung abzuwarten und einfach das anzubieten, was bei Land und Bund entwickelt wird. Das wäre der einfache Weg.
Der etwas schwierigere Weg ist der, sich selbst auf den Prozess einzulassen, selbst zu lernen, Knowhow aufzubauen um den Prozess professionell begleiten zu können, als auch weitere Elemente aus eigenem Knowhow hinzufügen zu können. Also die Steuerung zu behalten und Digitalisierung nicht nur mit uns geschehen zu lassen.
Große Befürchtungen sind ja ein möglicher Personalabbau im Rathaus, weil man mit digitalen Prozessen in der eigentlichen Verwaltung nicht mehr so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigt. Das wird kommen! Wenn wir den Prozess selbst in der Hand haben, haben wir die Zeit, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Übernahme neuer Tätigkeiten bei der Stadt zu begleiten. Denn es werden in Zukunft neue Aufgaben entstehen für die auch Personal notwendig ist. Wenn die Digitalisierung aber von außen „mit der Stadt geschieht“, haben wir den Einfluss nicht und werden schlagartig Personal „über“ haben, welches dann nicht qualifiziert sein wird, anderes zu tun.
Zu guter Letzt
Digitalisierung ist notwendig, aber gleichwohl NUR Mittel zum Zweck! Es muss nicht digitalisiert werden, um digitalisiert zu sein. Digitalisierung ist das Mittel um „richtige“ politische Ziele zu erreichen. Einen besseren Bürgerservice zum Beispiel, eine produktive Verwaltung, als Basis für bessere politische Entscheidungen etc. Es ist hilfreich, sich das ab und an mal wieder vor Augen zu halten, denn sonst verliert man das eigentliche Ziel aus dem Blick.
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