Digitales Ausweis-Terminal – Warum fahren da alle so drauf ab?
Aktuell ist das „Digitale Ausweis-Terminal“ in aller Munde und schafft es bereits in die Stadtverordnetensitzung am 5. Februar. Zunächst mal mit einem Prüfauftrag und noch nicht mit der Anschaffung. Warum fahren gerade so viele darauf ab? Ist der Automat Zeichen für die fortgeschrittene Digitalisierung? Ist es sinnvoll 25.000 Euro auszugeben, um es den Bürgerinnen und Bürgern zu ermöglichen, zu jeder Uhrzeit den neuen Personalausweis abholen zu können und nicht an die Öffnungszeiten des Bürgerbüros gebunden zu sein?
Wie kommt man aktuell an einen neuen Personalausweis?
Aktuell muss ich für einen neuen Personalausweis zweimal aufs Bürgerbüro. Einmal um den Ausweis zu bestellen, einmal um ihn abzuholen. Ich habe das vor kurzem durchlaufen und schon hier beschrieben. Für die Neubeantragung ist ein Foto notwendig, eine Unterschrift, die Zahlung der Gebühren und zukünftig noch das Einscannen der Fingerabdrücke.
Ich habe es so verstanden, dass es notwendig ist, einmal wenigstens persönlich zu erscheinen, um identifiziert zu werden und ggf. die Fingerabdrücke abzugeben. Das erscheint mir auch sinnvoll zu sein. Am zweiten Besuch wird nur der Ausweis ausgehändigt und der alte Ausweis entwertet.
Mehrwert des Automaten?
Mit dem Automaten soll ich nun den neuen Ausweis auch außerhalb der Öffnungszeiten abholen können. Das ist eine schöne Sache. Aber was habe ich tatsächlich gewonnen? Ich muss immer noch zweimal hin und es werden 25.000 Euro Steuergeld ausgegeben plus Instandhaltung, Diebstahlschutz, Strom etc. Klar, für den zweiten Besuch brauche ich keinen Termin mehr, aber ist das tatsächlich so hilfreich für einen Prozess, den ich alle 10 Jahre einmal durchlaufen muss? Der Mehrwert ist für mich und vermutlich die Breite der Bevölkerung gering.
Wie wäre es, wenn ich den Ausweis online bestellen könnte, Bild und Unterschrift hochladen, die Stadt prüft im Hintergrund und automatisiert anhand des Melderegisters, ob ich geboren und hier gemeldet bin und kassiert die Zahlung per Paypal, ApplePay oder irgendeinem anderen Bezahlsystem. Wenn der Ausweis da ist, wird zum Termin geladen, die Identität überprüft, der alte Ausweis entwertet und die Fingerabdrücke auf den Ausweis gespielt. Oder per Post und Einschreiben nach Hause geliefert.
Das hätte einen wirklichen Nutzen, denn ich müsste nicht ein digitales Bild von mir erst geeignet ausdrucken, zum Rathaus tragen, nur damit es dort wieder eingescannt und an die Bundesdruckerei gesendet wird. Ein Mehrwert hat es dann, wenn ich mir einen von zwei Besuchen auf dem Bürgerbüro sparen kann! Oder am besten gleich alle beide!
Ich hatte mich im Zusammenhang mit dem in meinen Augen sehr aufwändigen Prozess der Beantragung eines neuen Ausweises an die Bundesdruckerei gewendet und nachgefragt, wie es denn aussieht mit Digitalisierung und so. Die Bundesdruckerei antwortete ausweichend und verwies aufs Innenministerium. Dieses reagierte ebenfalls, aber auch nicht wirklich hilfreich. Insofern sind wir in Deutschland offenbar noch nicht so weit, den Prozess grundsätzlich neu und sinnvoll anzulegen. Andere Länder wie Estland, die anderen baltischen oder auch die skandinavischen Länder sind da bereits weiter.
Jetzt schauen wir in Viernheim also auf den letzten Schritt eines eigentlich zu überholenden Prozesses, um die Auslieferung eines Dokumentes ein klein wenig zu vereinfachen, welches jede Bürgerin und jeder Bürger alle zehn Jahre einmal erneuern muss.
Prozess wird sich ganz sicher noch ändern!
Gleichzeitig ist klar, dass das gesamte Verfahren früher oder später vereinfacht und viel stärker digitalisiert sein wird. Vielleicht wird dann ein Automat benötigt, für den einzigen Besuch auf dem Bürgerbüro. Aber ob der Automat, den man heute kauft, morgen dazu noch geeignet sein wird?
Als Beispiel wird auf den Automat in Bensheim verwiesen, der dort noch weitere Funktionen übernimmt, wie generell die Möglichkeit Dokumente des Rathauses abzuholen und nicht an die Öffnungszeiten gebunden zu sein. In Viernheim scheint nur die „Einrichtung eines digitalen Ausweis-Terminals“ geplant zu sein.
Der Automat in Bensheim kostete nach Presseveröffentlichungen 25.000 Euro an Steuergeld. Diese hat zwar das Land bezahlt, trotzdem ist es das Geld des Steuerzahlers. Hinzu dürften Kosten kommen für Wartung, Strom, Versicherung, Datensicherheit für das für alle zugängliche EDV-Terminal vor der Tür des Rathauses, Sicherung gegen Diebstahl etc.
Es ist schön zu sehen, dass sich aktuell viele Gedanken machen um die Digitalisierung der Verwaltung! Aber so richtig zielführend ist das Ganze eben noch nicht. Viel zu häufig kommt man zu den falschen Schlüssen und Vorschlägen und oft ist es so, dass die Voraussetzungen, die für manche Vorschläge notwendig sind, erst zu schaffen sind. Für vieles sind beispielsweise durchgehende digitale Prozesse im Rathaus wichtige Voraussetzungen. Gibt es die, ist beispielsweise eine Viernheim-App oder ähnliches ein Kinderspiel. Ohne sie ist es Bürgertäuschung!
Um was geht es bei der Digitalisierung wirklich?
Bei der Digitalisierung geht es nicht um einzelne technische „Gadgets“. Es geht um die Abwicklung der Verfahren in der Stadtverwaltung, deren Automatisierung und deren Vereinfachung zu Gunsten der Bürgerinnen und Bürger und natürlich der Produktivität der Verwaltung! Digitalisierung heißt moderne Prozesse! Digitalisierung heißt nicht, die alten Prozesse zu lassen, und das eine oder andere digitale Element einzubauen. Dieses Denken vermisse ich bei den Ausführungen. Ich vermisse, dass jemand, der solche Dinge vorschlägt, sich zumindest oberflächlich mit den Prozessen beschäftigt hat und dann aufzeigt, dass der Automat viele Probleme lösen kann.
Das Digitale Ausweis-Terminal in Viernheim wird das nicht leisten. Vermutlich wird es schon wenige Jahre nach der Inbetriebnahme wieder außer Betrieb genommen, da sich die Prozesse so geändert haben, dass die Bürgerin und der Bürger gar nicht mehr aufs Rathaus kommen müssen und die Auslieferung des Ausweises durch den Paketdienst direkt nach Hause erfolgt.
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