Bürgerbeteiligung Nordweststadt II: Was kann überhaupt noch mitgestaltet werden?
Die Stadt beteiligt die Bürgerinnen und Bürger an der Gestaltung des neuen Baugebiets Nordweststadt II. Das ist grundsätzlich sehr zu begrüßen, aber es stellen sich dem geneigten Beobachter dazu einige Fragen, insbesondere ob es überhaupt etwas zu gestalten gibt. Oder geht es nur darum, eine politische Begründung zu finden, es doch wieder so zu machen wie immer?
Welche politischen Ziele sollen mit diesem neuen Baugebiet erreicht werden? Braucht es diesen neuen Stadtteil überhaupt? Schon beim Bannholzgraben II hieß es, es gehe darum die Wohnungsnot zu bekämpfen. Wohnungsnot haben vor allem die, die bezahlbaren Wohnraum oder bezahlbaren seniorengerechten Wohnraum suchen. Im Bannholzgraben II werden nun Einfamilienhäuser oder luxuriöse Mehrfamilienhäuser mit Eigentumswohnungen gebaut, die man für schlappe 6000 Euro pro Quadratmeter kaufen kann. Wie soll daraus bezahlbarer Wohnraum entstehen, der gesucht wird? Ja, es gibt ein paar Häuser mit einer zeitlich sehr begrenzten Mietpreisbindung. Was ist wenn diese abläuft?
Und was ist mit den selbstgesetzten Klimazielen? Viernheim will bis 2030 für den Klimaschutz viele CO2-Emissionen vermeiden und dann auch irgendwann klimaneutral sein. Das hieße für die Nordweststadt II
Wenn dieses Ziel irgendeine Relevanz in Viernheim hat, würde man beispielsweise darauf achten, dass alle Dächer nach Süden ausgerichtet und für PV geeignet sind. Man würde darauf achten, dass alles Regenwasser im Stadtteil verbleibt und dort wieder versickert. Man würde einen klimaresistenten Stadtteil bauen, mit viel Grün, viel Schatten und Wasser. Man würde auf einen geringen CO2-Fußabdruck beim Bau achten und vor allem Häuser mit natürlichen Baustoffen bauen und Materialien verwenden. Also Holz als langjährigen CO2-Speicher bevorzugen und Beton als CO2-intensivem Baustoff vermeiden. Man würde ein Wärmenetz planen und auf ein Gasnetz verzichten. Dies nur mal als ein paar wenige Beispiele.
Was sind also die politischen Ziele, die für die Gestaltung der Nordweststadt relevant sind?
Die zweite große Frage ist, was überhaupt noch mitgestaltet werden kann? Wie groß ist der Gestaltungsspielraum oder geht es nur darum, dass die ausgewählten Interessensgruppen Eigentümer, Familien, Singles, Alleinerziehende und Anwohner des engeren Umfeldes ihre jeweiligen persönlichen Interessen einbringen?
Eine grobe Planung der Straßen und Häuser scheint schon zu bestehen. Die bestehenden politischen Ziele kommen hinzu. Was sind hier also die Vorgaben? Diese Frage ist nicht nur für die Interessensgruppen interessant, die am Verfahren teilnehmen sollen, sondern für die gesamte Stadtbevölkerung.
Nordweststadt II dürfte auf längere Sicht der letzte Stadtteil sein, den wir relativ frei gestalten können. Das Stadtgebiet ist begrenzt und ein bisschen grün braucht‘s ja auch noch. Nachfolgende Generationen werden sich dann nur mit dem Altbestand befassen können. Insofern sollte man sehr genau darauf achten, wie man diese seltene Gelegenheit nutzt.
Wie wäre es zum Beispiel mit einem ersten klimaneutralen Stadtteil mit bezahlbarem Wohnraum? Als Modellprojekt für den Rest der Stadt? Wo man ausprobiert, was man alles tun kann und sollte, um den eigenen Zielen nachzukommen? Das wäre mal was für die Brundtlandstadt Viernheim.
Die Chance ist, hier gemeinsam als Stadtgesellschaft zu lernen und Kompetenzen aufzubauen, die für die Modernisierung der restlichen Stadt notwendig sind. Wenn hier – wie im Bannholzgraben II- wieder nur eine beliebige Ansammlung von Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern entsteht
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, wie wir sie die vorhergehenden Jahrzehnte auch gebaut haben, wird die Chance vertan. Ich hoffe, dass die Verantwortlichen bei der Stadt und in der Politik die richtigen Weichen stellen. Hoffentlich hat irgendjemand zu alldem einen guten Plan!Archive
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