Dreckiges und marodes Viernheim: Strategie oder Ignoranz?
In Viernheim liegt in Bezug auf den Zustand der Straßen, Müllablagerungen, Dreck etc. vieles im Argen. Das ist oft Thema für Bürgerinnen und Bürger in privaten Gesprächen und auch in den Sozialen Medien. Daher habe ich mich im Mai 2021 aufgemacht und einen Selbstversuch unternommen. An drei Tagen im Monat Mai bin ich aufmerksamen Auges durch die Stadt gefahren und gegangen und habe nach Auffälligkeiten gesucht.
Diese habe ich dann über den Mängelmelder an die Stadt gemeldet. Dieser bietet uns Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, „der Verwaltung eine Anregung oder ein Ereignis zu melden„. Das habe ich im Mai ausgiebig getan und rund 30 „Anregungen“ geben können, die ich unter dem Beitrag „Einen Monat lang die Stadt aufräumen“ dokumentiert habe. Der Mängelmelder gibt immer wieder Nachricht zum aktuellen Stand der Bearbeitung und vermeldet, wenn sich die Zuständigkeit für die „Anregung“ geändert hat. Das ist durchaus erhellend, vor allem wenn man dann die Bearbeitung von mehreren Fällen parallel beobachtet. Daraus kann man dann am Ende auch auf „systemische Fehler“ schließen, denn es stellt sich u.a. die Frage, warum manche Schäden erst gemeldet werden müssen und nicht von den Verantwortlichen der Stadt selbst gesehen werden. Doch zu diesem meines Erachtens wichtigsten Punkt am Ende dieses Beitrags mehr.
Gut ist…
Ausgesprochen positiv aufgefallen ist mir, dass die Stadt tatsächlich schnell reagiert und die Punkte bearbeitet. Ehrlich gesagt hätte ich das nicht erwartet und ich bin positiv überrascht. Müllablagerungen sind, sobald sie bekannt sind, schnell behoben. Auch Schäden an Gehwegen und Straßen werden zügig aufgegriffen – wie schnell sie tatsächlich ausgeführt werden, muss man noch sehen. Und vor allem: So viel Müll und Dreck habe ich nicht entdeckt. Vielleicht ist es in Viernheim bezüglich des Mülls doch nicht so schlimm, wie wir oft glauben?
Damit kann ich den Mängelmelder rundum allen empfehlen, die sich über Dreck und Müll in der Stadt aufregen. Melden Sie diese über den Mängelmelder und es wird schnell Abhilfe geschaffen. Dreck und Müll sind kurzfristige auftretende „Ereignisse“, da kann man nicht erwarten, dass die Stadt alle Straßen und Wege täglich abfährt und diese Dinge selbst entdeckt. Über den Weg „Mängelmelder“ können wir alle beitragen, die Stadt in Ordnung zu halten.
Schlecht ist…
Schlecht ist allerdings, dass ich in nur kurzen drei Spaziergängen bzw. -fahrten über 30 Mängel gestolpert bin. Ich finde das viel und viele Dinge sind dabei, die schon lange Zeit bestehen und die Verantwortlichen eigentlich schon viel früher hätten entdecken können. Die Stadt beschäftigt in den entsprechenden Ämtern (hoffentlich) Fachleute, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung die Dinge selbst sehen müssen. Gerade in der Wasserstraße und dem gepflasterten Straßenbelag an der Einmündung der Rathausstraße und der Hofmannstraße kommt mit Sicherheit ein Großteil der Verantwortlichen regelmäßig vorbei (oder der Erste Stadrat verlegt dort im Winter Zebrastreifen…). Da kann und will ich nicht verstehen, wieso nicht schneller reagiert wird. Manche der „Anregungen“ sollte ich mir in einer gut funktionierenden Stadtverwaltung eigentlich sparen können.
Zum Thema Dreck ein Punkt, der auffällt: In der Innenstadt wurde vor wenigen Jahren das neue helle Pflaster verlegt. Helles Pflaster bzw. ein heller Straßenbelag macht in Zeiten des Klimawandels und stärkerer Sonneneinstrahlung Sinn, denn so wird Wärmestrahlung reflektiert und nicht mit dunklem Asphalt die Stadt aufgeheizt. Wenn man sich nun aber für einen hellen Bodenbelag entschieden hat, muss man halt öfter auch mal „durchwischen“. Nach meiner Beobachtung ist das bislang nicht passiert. Viele Flecken erinnern noch an die Fressstände des Innenstadtfestes und andere Events, auch die Kastanienbäume hinterlassen ihre Spuren. Ich habe dazu zwei „Anregungen“ gegeben, aber eigentlich müsste der ganze Bereich mal ordentlich gereinigt werden. Denn je dreckiger das Umfeld ist, umso weniger vorsichtig sind die Menschen dort und machen zusätzlichen Dreck. Ich hoffe darauf, dass regelmäßiges Reinigen der Innenstadt dazu führt, dass die Menschen vorsichtiger sind und dann auch weniger Dreck machen.
Beobachtungen:
- Es ist nicht nur die Saarlandstraße in einem bedauernswerten Zustand! Es gibt viele weitere Straßen in Viernheim in sehr schlechtem Zustand. (Wohlmeinde Stimmen sagen, dass sie durch die Saarlandstraße fahren, wenn sie Milch für den Kaffee aufschäumen müssen. Das Gerüttel hilft – ob per Auto oder per Fahrrad. Aber das ist eine andere Geschichte…)
- Viele Grünanlagen wie beispielsweis der Spitalplatz, derTivolipark, die Grünbereiche in der Nordweststadt oder im Bannholzgraben, sowie viele kleinere Flächen sind schlecht gepflegt und können für Freizeitaktivitäten so gut wie nicht genutzt werden. Das mag gut für Bienen und Insekten sein, für Bürgerinnen und Bürger sind sie aber kein attraktives Umfeld für ein Picknick im Tivolipark oder Ballspielen auf irgendwelchen anderen Wiesen. Hier sollte man über die Prioritäten noch mal nachdenken. Flächen mit „Wildwuchs“ für Insekten und Bienen lassen sich sicherlich auf Dächern und anderen Orten finden und klüger nutzen.
- Ich habe einige einzelnen Stellen an dem gepflasterten Bereich der Wasserstraße gemeldet und diese sollen, den Rückmeldungen nach, nun auch repariert werden. Ich hoffe, es werden nicht nur die gemeldeten Stellen repariert, sondern wenn die Fachleute schon mal da sind, die anderen kaputten Stellen gleich mit. (Aber egal, zur Not melde ich sie wieder…)
- Interessant an den Rückmeldungen ist, dass ein Auftrag als „abgeschlossen“ gilt, wenn er vergeben wurde. Ich bin gespannt, ob da noch eine definitive Rückmeldung erfolgt, wenn die Arbeiten dann auch ausgeführt sind. Das war bislang (26.5.2021) in nur einem Fall passiert. Für mich steckt der Gedanke dahinter, ob denn die Ausführung seitens der Stadt tatsächlich auch überprüft wird. Ich kenne Fälle, in denen es nachweislich nicht der Fall war und auch der nächste Punkt (Gehweg am Hospiz) weist in diese Richtung.
- Lockeres Pflaster am Hospiz: Die Steine sind über die gesamte Gehweglänge locker. Mit meinem unfachmännischen Auge würde ich sagen, dass der Fugensand fehlt. Wie kann so etwas sein? Wird seitens der Stadt nach Abschluss solcher Pflasterarbeiten nicht eine ordnungsgemäße Ausführung überprüft?
- Der marode Bürgerhausvorplatz: Die Rückmeldung lautet: „Im Rahmen der Stadtumgestaltung West soll der Bürgerhausvorplatz 2025 umgestaltet werden. Bis dahin werden Reparaturen nur im Rahmen der Verkerssicherungspflicht ausgeführt.“ Soweit so gut. Die Frage ist, warum in den letzten Jahren an der Stelle – früher nannte man das Bürgerhaus mal die „gute Stube“ oder „das Wohnzimmer“ der Stadt – nichts getan wurde. Die Schäden und der Zustand bestehen bereits seit Jahrzehnten und ich vermute mal, dass man sich im Jahr 2010 noch nicht auf eine Sanierung im Jahr 2025 berufen hätte. Noch interessanter wird sein, ob das 2025 wirklich ausgeführt wird – aber das ist noch mal ein anderes Thema.
- Rückmeldung zum Schaden in der Ludwigstraße (Referenznummer: AEM002680): „Vorerst keine Reparatur, Pflaster nicht mehr verfügbar.“ Das klingt witzig angesichts der Tatsache, dass an der selben Stelle schon ohne Pflaster und stattdessen mit Asphalt ausgebessert wurde. Und bitte! Dann nimmt man halt andere Steine oder wechselt die paar Steine, um die es geht gleich ganz aus. Abgesehen davon wurde sogar in der Wasserstraße an dem relativ neuen Pflaster bereits mit Asphalt repariert, statt die Steine zu ersetzen. Warum das in der Wasserstraße geht, in der Ludwigstraße jedoch nicht erklärt sich nicht. (Vielleicht hat den Sachbearbeiter nach den vielen „Anregungen“ etwas die Lust verlassen?)
- Am 26. Mai 2021 wurden rund 10 Reparaturaufträge erteilt. Da sollten beim Stadtbetrieb und beim „Jahresvertragspartner“ die Kassen klingeln. Vielleicht haben in diesem Zusammenhang die zuständigen Sachbearbeiter auf dem Rathaus die Existenz des Mängelmelders etwas bedauert…
Das große Bild
Allgemein bin ich zum Schluss gekommen, dass es um Dreck und Müll nicht so schlecht bestellt ist in Viernheim. So viele Stellen (die ich in diesem Bereich hätte melden können) gibt es gar nicht und wenn, sind sie schnell beseitigt. Das ist ein guter Erfolg des Mängelmelders und eine gute Absicht der Stadt hier schnell Abhilfe schaffen zu wollen.
Um den Zustand von Straßen, Gehwegen, Bürgersteigen etc. ist es nicht so gut bestellt. Da ist viel kaputt und das bereits seit langem. Die hier gemeldeten Fälle sind ja alle nicht erst seit gestern kaputt, sondern es ist ein schleichender und länger andauernder Prozess. Und wenn ein erster kleiner Schaden mal da ist, geht es mit dem nächsten Frost, mit der nächsten Hitzeperiode, mit dem nächsten Regenguss schnell weiter bergab. Je schneller man reagiert, umso preiswerter ist die Reparatur denn je länger man wartet, umso größer und teurer wird die Baustelle. Was mal irgendwann klein anfing und nicht der Rede wert war, wird dann irgendwann zur „Saarlandstraße“, für die dann natürlich leider kein Geld da ist.
Das Problem dabei ist, dass je maroder die Stadt auf die Bewohner wirkt, umso weniger passen diese auf und umso weniger pfleglich gehen sie damit um. Wenn es den Verantwortlichen schon egal zu sein scheint, was alles kaputt ist, muss man als Bürgerin und als Bürger auch nicht pfleglich damit umgehen. Kann man in einer so maroden Stadt seinen Abfall nicht einfach fallen lassen? Auch das verstärkt den Verfall und vor allem dem Missmut, dass nichts getan wird. Das größte Problem sind also gar nicht die einzelnen Fälle, sondern vor allem deren Wirkung auf das weitere Verhalten der Bürgerinnen und Bürger im Umgang mit ihrem Umfeld!
Eigentlich ist der Mängelmelder dann erfolgreich, wenn die Bürgerinnen und Bürger keinen Grund mehr haben, ihn zu benutzen. Da sind wir angesichts der vielen Meldungen, die man in der Übersicht auf der Webseite auch sehen kann, weit entfernt.
Die Fehler im System
Nach meiner einmonatigen Erfahrung kann man auch als einfacher Bürger oder einfache Bürgerin mit dem Mängelmelder einen Beitrag leisten. Wenn wir nur alle Schäden fleißig melden würden, würde die Stadt bald in Ordnung sein (oder der Mängelmelder wird vorher abgeschaltet…). So passiert ein bisschen was und es wird besser.
Die viel spannender Frage ist aber, wie konnte es überhaupt so weit kommen? Bzw. was passiert im Alltag der Stadtverwaltung alles NICHT, sodass dieser Zustand entstehen können? Wo liegen die Fehler im System?
Dabei stellen sich folgende spannende Fragen:
- Inkompetenz und Ignoranz: Warum sehen die Verantwortlichen der Stadt nicht, was getan werden muss? Die Verantwortlichen als auch die Fachleute sollten bei ihrer Arbeit auch in der Stadt unterwegs sein und mit geschultem Blick erkennen, was an welcher Stelle getan werden muss. Wenn es mir gelingt, bei drei kurzen Spaziergängen in einem Monat über dreißig „Anregungen“ geben zu können, sollten das die Fachleute mit fachkundigem Blick doch schon längst gesehen haben. Entweder sie sind fachlich nicht kompetent oder sie wollen es nicht sehen. Inkompetenz und Ignoranz sind jedoch nicht akzeptabel und der zuständigen Führungskraft und letztendlich dem Dezernenten im Rathaus anzukreiden. Dann sitzen dort die falschen Leute und man muss sich fragen, ob der zuständige Dezernent seinen Laden im Griff hat.
- Straßenbeitragssatzung: Ich weiß nicht, wie der aktuelle Stand um die Einführung von Straßenbaubeiträge der Bürgerinnen und Bürger in Viernheim ist. Geplant ist wohl, dass wenn größer Sanierungen anstehen, diese Kosten den Bürgerinnen und Bürgern zusätzlich zu den bereits ansonsten zu entrichtenden Steuergeldern aufzuerlegen. Dazu ist es aber notwendig, dass die Straße in einem derart desolaten Zustand sein muss, dass sie komplett saniert werden muss. In diesem Fall erhält die Stadt für die Sanierung also zusätzliches Geld von uns Bürgerinnen und Bürgern und muss die Sanierung nicht aus dem vorhandenen und begrenzten Haushalt bezahlen.
Für die Stadt ist es also definitiv vorteilhaft, wenn die Straße komplett saniert werden muss. Kleinere Reparaturen jedoch gehen auf Kosten des bestehenden Haushalts. Für uns Bürgerinnen und Bürger bedeutet das eine zusätzliche finanzielle Belastung aufgrund des Nichtstuns der Stadt. Und letztendlich ist der Schaden und damit der finanzielle Aufwand für uns höher, als wenn früher eingegriffen wird und größere Schäden vermieden werden. Kann es sein, dass deswegen so wenig getan wird, um mit dem Abwarten zusätzliche Mittel aus den Taschen der Bürgerinnen und Bürger zu erhalten?
Strategie oder Ignoranz? Ein Fazit
Wenn mal was kaputt oder schmutzig ist und die Stadt sieht es nicht gleich, ist das kein Drama. Das Problem ist, wenn sich die Fälle häufen. Drei kurze Gänge durch die Stadt und 30 „Anregungen“ an den Mängelmelder sind viel. Ich bin sicher, wenn ich weiter schauen würde, würde ich im Folgemonat die nächsten 30 Fälle finden. Insofern ist also nicht das einzelne Schaden das Problem, sondern das systemische Problem dahinter.
Das systemische Problem ist, dass die Fachleute auf dem Rathaus vom Sachbearbeiter bin zum Dezernten die Dinge nicht selbst sehen. Sicherlich werden sie manche auch sehen und beheben, aber die Vielzahl der hier dokumentierten Fälle lässt keine Ausrede zu.
Insofern stellt sich die Frage, ob es sich um Inkompetenz oder Ignoranz der handelnden Akteure handelt. Beides wäre fatal und MUSS behoben werden. Sonst kommt uns das als Bürgerinnen und Bürgern sowie als Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern teuer zu stehen.
Die Straßenbaubeiträge sind vielleicht in den Augen vieler Politiker ein probates Mittel zu zeigen, wie sie sich um bessere Straßen in Viernheim bemühen. Aber sie geben damit unser Geld aus und es ist zusätzliches Geld, welches wir bezahlen müssen, weil die Stadtverwaltung schon vorher ihren Job nicht gut gemacht hat. Das sollten wir nicht akzeptieren. (Ach so, falls sie der Ankündigung Glauben schenken, dass nur Immobilieneigentümer zur Kasse gebeten werden: Das ist grundsätzlich der Fall, aber die Eigentümer müssen das Geld durch die zu zahlende Miete auch erst mal selbst verdienen. Damit bezahlt es dann doch jeder der einfach nur hier wohnt – egal ob Mieter oder Eigentümer.)
Vielleicht ist es ein interessanter Gedanke, wenn denn dann die Straßenbaubeiträge eingetrieben werden sollen, dagegen zu klagen mit der Begründung, dass die Stadt vorher die Pflege vernachlässigt hat. Das Beispiel mit dem nicht-verfugten Bürgersteig am Hospiz in der Seegartenstraße ist ein solches Beispiel und es gibt leider weitere. Die Arbeit wurde nicht richtig beendet und niemand seitens der Stadt hat das überprüft oder sie haben es hingenommen. Wir Bürgerinnen und Bürger können die Ausführung der Arbeiten fachlich gar nicht einschätzen, kommen aber bereits ein paar Jahre früher für die Kosten einer dann früher notwendigen Sanierung auf. Dabei hätte der Bürgersteig viel länger halten können, wäre er fachgerecht erstellt worden. Aber sicherlich haben sich bis dahin die Verantwortlichen im Rathaus geändert und man erinnert sich nicht mehr, dass man damals Mist gebaut hat.
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