Steckbrief des SüdhessenMorgen
Auch der SüdhessenMorgen hat den Bürgermeisterkandidaten 5 inhaltliche und 5 private Fragen mit der Bitte um Beantwortung geschickt. Das Interview ist inzwischen erschienen, sodass ich mir erlaube, es hier noch einmal für alle Interessierten zum Besten zu geben.
Bürgermeisterwahl: Inhaltliche Fragen
Die ganze Welt fordert mehr Digitalisierung. Wie wollen Sie die Verwaltung fit machen für die Zukunft – in den internen Abläufen und als Dienstleister für die Bürger?
Gute Frage, wie viel Zeit haben Sie denn? :+)
Ziel muss sein, dass Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und alle die irgendwie mit der Stadtverwaltung zu tun haben, sämtliche Verrichtungen digital abwickeln können. Das muss komfortabel sein, einfach bedienbar sein und wenn möglich auch für die Kundinnen und Kunden möglichst automatisiert laufen. Menschen, die das nicht wollen, können nach wie vor ins Bürgerbüro kommen.
Für die Verwaltung heißt das, alle internen Prozesse auf den Prüfstand zu stellen, sie zu überdenken, zu vereinfachen und zu digitalisieren. Es geht nicht darum, die alten Prozesse nur digital abzubilden. Der zweite Punkt ist die Automatisierung. Alles was in den Prozessen irgendwie automatisierbar ist, muss automatisiert werden. Es dürfen keine Akten mehr hin- und hergetragen werden, keine einfachsten Dinge noch von Menschen abgenickt werden – das soll in Zukunft der Computer machen.
Auf die Stadt werden in Zukunft neue und anspruchsvollere Aufgaben zukommen. Da können wir es uns nicht mehr leisten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für einfache Verwaltungstätigkeiten einzusetzen. Wir brauchen diese um mehr und besser zu kommunizieren, Bürgerinnen und Bürger besser zu betreuen, neue Problemlösungen zu entwickeln etc. Der Computer macht die langweilige Arbeit, die Menschen leisten den wirklichen Dienst an den Bürgerinnen und Bürgern.
Viernheim schien die Finanzmisere überwunden zu haben. Dann kam Corona – und mit dem Virus die massiven Steuerausfälle. Gleichzeitig stehen Millioneninvestitionen ins Kanalnetz oder das Rathaus an. Wie wollen Sie künftig einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen?
Es gab die massiven Steuerausfälle, aber auch Zusagen des Landes, vieles davon auszugleichen. Insofern muss man erst mal schauen, wie das letztendlich ausgeht. Aber das Grundproblem ist sowieso unabhängig von Corona.
Zunächst mal könnten wir weitermachen wie bisher und uns „durchwurschteln“. Wenn Geld da ist oder von außen kommt, dann machen wir was, wenn nicht, verschieben wir aufs nächste Haushaltsjahr. Das halte ich nicht für sinnvoll, sondern wir müssen finanziell wieder selbst handlungsfähig werden. Und zwar so, dass wir nicht die nachfolgenden Generationen noch zusätzlich belasten.
Ich bin für einen radikalen Ansatz: Wir stellen fest, was gesetzliche Pflichtleistungen der Stadt sind und welchen Anteil am Haushalt diese haben. Die Stadt bietet viele zusätzliche Dinge an, die nicht Pflichtleistung sind, sondern die politisch gewollt sind oder waren – zum Beispiel im Jugendbereich, den freiwilligen Polizeidienst, das Brundlandtbüro etc. Das sind alles wichtige Dinge und ich würde sie nicht abschaffen wollen. Aber die Ressourcen sind eben begrenzt und Aufgabe der Politik und vor allem des Parlaments ist es, über die Prioritäten zu entscheiden. Das ist der politische Spielraum, den wir haben. Wenn wir entscheiden, dass wir alles lassen wollen, können wir eben nichts Neues machen, egal wie wichtig es ist.
Gleichzeitig müssen wir natürlich versuchen, den Spielraum zu erweitern und dafür kämpfen, dass wir als Stadt mehr Mittel zugewiesen bekommen oder die Zuschussmöglichkeiten noch besser auszunutzen.
Aber nicht alles was derzeit Geld kostet, muss auch in Zukunft Geld kosten. Zum Beispiel über ehrenamtliches Engagement kann man vieles bewerkstelligen, wie die Beispiele in anderen Städten oder Ländern zeigen. So fährt beispielsweise in Plankstadt ein ehrenamtlich betriebener Bürgerbus, in anderen Städten werden Grünanlagen ehrenamtlich gepflegt etc. Nicht alles muss immer etwas kosten. Da geht noch mehr.
Ansonsten: Geben Sie mir eine Woche Zeit, zwei Mitarbeiterinnen der Kämmerei, ein zwei weitere Mitarbeiter der Stadtverwaltung, einen Fachmann einer Hochschule, zwei drei ausgewählte fachkundige Bürgerinnen und Bürger, einen geübten Moderator und lassen Sie uns eine Woche ungestört arbeiten. Ich bin sicher, wir werden ein Konzept und viele Vorschläge dafür entwickeln! Das Problem ist lösbar, wird aber ganz sicher nicht allen gleichermaßen gefallen! Aber die aktuelle Situation gefällt ja auch nicht allen gleichermaßen…
Kaum ist die Kita Lorscher Straße fertig, da werden weitere Betreuungsplätze gebraucht. Wie wollen Sie der steigenden Nachfrage dauerhaft nachkommen?
Zugegebenermaßen bin ich in dieser Thematik nicht wirklich drin und so transparent sind die Informationen auch nicht, dass man sich als Bürger oder als unabhängiger Kandidat damit sinnvoll und eingehend beschäftigen kann.
Ich wundere mich aber, wie man jedes Jahr wieder neu von der plötzlichen Nachfrage überrascht sein kann. Es werden heute in Viernheim Kinder geboren und ich kann davon ausgehen, dass diese in drei Jahren in den Kindergarten gehen wollen und in weiteren drei in die Schule. Und vielleicht vorher schon betreut werden müssen. Dafür brauchen wir die notwendigen Kapazitäten.
Ein Problem stellt sicherlich dar, dass Kinder über das ganze Jahr hinweg geboren werden, aber nur einmal im Jahr zum Beispiel in die Schule kommen. Das heißt im August eines Jahres werden viele Kindergartenplätze frei, im Juni jedoch alle Plätze ausgebucht. Die Politik muss entscheiden, ob sie die Kapazitäten so hoch ansetzen will, dass Kinder jederzeit in eine vorschulische Betreuung gehen oder aber, dass man immer nur einmal im Jahr im August aufgenommen werden kann. Beides hat Konsequenzen: entweder müssen wir mehr Plätze vorhalten oder Eltern und deren Kinder im Stich lassen. Das ist die politische Entscheidung, die das Parlament im Rahmen seiner Prioritätensetzung bei den Finanzen vornehmen muss.
Vielleicht braucht es zu Lösung des Problems der schwankenden Nachfrage auch kreative Lösungen. Wenn wir uns zum Beispiel entscheiden, so viel Plätze anbieten zu wollen, dass Kinder jederzeit einen Platz angeboten bekommen, könnte dann, wenn im laufenden Jahr zum Beispiel in den Monaten ab Augst, die Plätze nicht alle belegt sind, Einrichtung und Personal anderweitig genutzt werden. Zum Beispiel für Förderungen von Schülerinnen und Schülern, die nach dem Wechsel von der vierten Klasse auf die weiterführende Schule eine besondere Förderung benötigen. Oder für Förderunterricht für bestimmte Schüler, die der Sprache nicht mächtig sind oder für die Rechtschreibung eine besondere Förderung benötigen. Zeitweise könnten überschüssige Kapazitäten so genutzt werden.
Auch bei der Pflege gibt es großen Bedarf. Viernheim hat über viele Jahre Konkurrenz vom städtischen Forum der Senioren ferngehalten. Braucht die Kommune nicht doch ein weiteres Altenwohnheim?
Auch hier kenne ich keine Zahlen, um mit ein tragfähiges Urteil erlauben zu können. Ich habe die Diskussion verfolgt und den Eindruck gewonnen, dass es bei der Entscheidung auf den verschiedenen Seiten nicht NUR um die Frage des Bedarfs ging sondern noch andere Interessen eine Rolle gespielt haben. Also schwer einzuschätzen!
Als Bürgermeisterkandidat stelle ich mir die Frage wie konkurrenzfähig das Städtische Forum der Senioren tatsächlich ist. Als Stadt müssen wir kein Alten- und Pflegeheim in Konkurrenz zur Privatwirtschaft betreiben. Professionelle Anbieter betreiben in der Regel nicht nur ein Heim sondern mehrere und profitieren davon. Die Stadt betreibt nur ein einziges. Ich frage mich schon, ob Aufsicht, Unternehmensführung und Leitung in vergleichbarer Weise gewährleistet werden können.
Wenn es genügend Anbieter gibt, die das Angebot zu vergleichbaren Konditionen darstellen können, sollten wir diesen den Vortritt lassen. Nur wenn die Stadt die Qualität der Betreuung zu vernünftigen Kosten besser gewährleisten kann, als der private Anbieter, sollten wir ein Alten- und Pflegeheim selbst betreiben.
Der Klimaschutz ist das Zukunftsthema schlechthin. Welchen Beitrag kann die Stadt leisten, damit Viernheim auch für nachfolgende Generationen lebenswert bleibt?
Das Ziel ist richtig und wichtig. Wir müssen etwas tun und sogar mehr tun als bisher! Die Frage ist wo ansetzen und ich bin kritisch, ob wir es wirklich richtig angehen. Das Klimaschutzkonzept sagt aus, dass wir in Viernheim 7 Tonnen CO2 produzieren und das ohne energieintensive Wirtschaft. Zahlen für das Industrieland Baden-Württemberg gehen ebenfalls von 7,2 Tonnen CO2 pro Einwohner aus, inklusive energieintensive Industrie. Als erste ist für mich also die Frage offen: Wo stehen wir wirklich?
Dann ist die Frage des Ziels: reichen uns die Ziele der Bundesregierung aus? Andere sind da weiter und streben „CO2-negativ“ an, d.h. sie verbrauchen mehr CO2 als sie produzieren. Manche Unternehmen haben sich das Ziel gesetzt, bis 2030 das gesamte bisher in ihrem Unternehmensleben produzierte CO2 neutralisiert zu haben. Reichen uns die Ziele aus als Brundlandtstadt?
Natürlich müssen wir Maßnahmen ergreifen, um Wärme-, Strom, Treibstoffverbrauch zu reduzieren. Da müssen wir solche Maßnahmen auswählen, die die meiste Wirkung erzielen. Vorschläge wie ein Lastenräderverleih oder ähnliches helfen hier nicht wirklich. Eher im Gegenteil: wir verlieren Zeit, uns mit den wirklich wichtigen Themen zu befassen. Als erstes steht also die Analyse wo Wärme, Strom und Treibstoff verbraucht werden. Dann sollten wir den Fokus auf die Maßnahmen legen, die die größte Wirkung erzielen. Auch die lokale Erzeugung klimafreundlicher Energie muss verstärkt werden.
Wir werden nicht alles CO2 verhindern können. Das heißt, wir sollten uns verstärkt damit beschäftigen, die CO2-Produktion zu kompensieren. Das können technische Maßnahmen sein und vor allem die Speicherung von CO2 in mehr Wald und Grün.
Als letzten Punkt bleibt zu sagen, dass wir uns darauf einstellen müssen, dass sich das Klima verändert. Dem müssen wir durch die Gestaltung der Stadt gerecht werden. Das heißt mehr Schatten und mehr Wasser in der Stadt, eine Bauweise, die dem Klimawandel Rechnung trägt etc.
Bürgermeisterwahl: Private Fragen
Wir stellen uns vor: Corona ist vorbei. Was holen Sie als Erstes nach?
Ich freue mich auf das Reisen und sehe mir weiter die Welt an. Andere Länder und andere Sitten sind lehrreich. Armut oder Reichtum, das Leben in weniger stark entwickelten Ländern, die Art ihre Städte zu entwickeln und Probleme zu lösen – alles das lenkt den Blick auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Mich inspiriert das was ich sehe zu neuen Ideen, zu neuen Projekten mit vielleicht neuen Freunden. Da freue ich mich, wenn es wieder los geht.
Sie stehen in der Küche, heute Abend kommen Freunde zum Essen. Worauf dürfen sie sich freuen?
Ich freue mich auf ein schönes Essen (mit Himbeertraum als Nachtisch), und gemütliches Beisammensein mit Freunden und ihren Kindern. In der Regel stehe ich dazu aber nur kurz in der Küche. Denn entweder kommen die Freunde nicht, wenn ich koche oder aber ich werde vorher der Küche verwiesen.
Ein sonniger Sonntag, kein Corona, keine Termine. Was machen Sie?
Ich unternehme etwas mit meiner Freundin, mit Freunden oder ich bastle an einer der vielen spannenden Ideen und Projekten, die ich sonst noch vorhabe.
Ihre Wohnzimmerlampe fällt von der Decke. Was tun Sie?
Ich wundere mich kurz, denn das macht sie sonst nie. Dann ergründe ich, warum sie das macht. Je nach dem, behebe ich den Grund und hänge die Lampe wieder auf oder ich fange an zu rennen…
Mathematik oder Philosophie? Warum?
Evidenzbasierte Philosophie! Die Welt ist komplex und wenn man die Welt und das Leben gestalten will, muss man ein gewisses Verständnis der Welt haben. Alles, was ich auf der einen Seite tue, hat auf der anderen Nebenwirkungen. Dazu muss man die richtigen Fragen stellen und richtig an die Dinge herangehen. Da hilft uns die Wissenschaft, Dinge evidenzbasiert, also auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse, anzugehen. Bei vielem ist die Mathematik da nicht hilfreich. Es gibt eben nicht nur schwarz oder weiß, sondern es gibt ganz viele Zwischentöne. Das sinnvoll abzuwägen, ist Aufgabe der Politik.
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