Die Brundtlandstadt hinkt!
Am 3.3.2022 fand sich im SüdhessenMorgen ein Beitrag über das Brundtlandbüro und den Brundtlandbeauftragten der Stadt Viernheim, Herr Philipp Granzow. Der Beitrag war überschrieben mit: „Philipp Granzow: Wir hinken dem Klimawandel hinterher!“ Im Gespräch mit dem Redakteuer Martin Schulte wurde er mit meiner These konfrontiert, bei den Bemühungen um Energie und Photovoltaik stärker auf Privatdächer zu setzen und hat das eher lapidar abgetan. Dies habe ich mit einem Leserbrief für die Woche ab dem 7.3. kommentiert. Hier der Text:
Aktuell finden sich ja einige Beiträge in dieser Zeitung, die die olle Kamelle „Brundtlandstadt“ zu erklären versuchen. So auch der Beitrag am 3. März mit Philipp Granzow. In dem Beitrag wird Herr Granzow vom Brundtlandbüro gefragt, wie er denn zu meiner These steht, dass die Nutzung der Sonnenenergie auf Privatgebäuden in Viernheim vernachlässigt wird. Herr Granzow meinte dazu, dass die Stadt die Nutzung von Photovoltaikanlagen nicht anordnen könne. Das fordert eine Kommentierung natürlich geradezu heraus.
Ein Stück weit hat Herr Granzow Recht, dass die Stadt das nicht so einfach anordnen kann. Wobei das zunächst mal auch eine Ausrede ist. Andere Städte können das komischerweise durchaus. Auch in den Neubaugebieten hätte man die Möglichkeit gehabt, eine Baugenehmigung an die Installation einer PV-Anlage zu binden. (Man hätte sich dort überhaupt viel mehr Gedanken machen können, wie man in Zukunft wohnt, lebt, heizt, Strom erzeugt etc. Das Zeug halt, was klimabewusste, innovative Städte eben tun, wenn sie neue Stadtgebiete ausweisen und über die Zukunft nachdenken.).
Man könnte also durchaus, wenn man denn wollte. In anderen Bereichen wie demnächst bei den Schottergärten und anderen Beispielen, ist es offenbar für die Stadt kein Problem anzuordnen, was die privaten so tun und lassen sollen auf ihrem eigenen, bezahlten und versteuerten Hof und Grund. Warum soll es hier möglich sein und dort nicht? Dreht sich die Stadt etwa die Sachen so wie sie es gerade braucht? Beim Bekämpfen eines zentralen Elements des Klimawandels, nämlich der lokalen Versorgung mit regenerativen Energien, wird das eigene Versagen damit erklärt, dass man nichts anordnen könne. Bei „Hobbythemen“ wie den – zugegebenermaßen hässlichen und klimaschädlichen – Schottergärten hingegen, da ist es möglich. Ja, Klein-Klein, das können wir!
Mein Vorschlag bezüglich der Nutzung der Dächer von Privatgebäuden bezog sich übrigens auf die Lösung, dass die Stadtwerke als lokaler Energieanbieter private Dächer anmieten und dort PV-Anlagen in großem Stil betreiben sollen. Das ist einfacher und kostengünstiger und greift nicht zwangsweise in das Privateigentum der Bürgerinnen und Bürger ein. Hinzu kommt, dass die öffentlichen Gebäude auch noch lange nicht alle eine PV-Anlage auf dem Dach oder in der Fassade haben. Wie schaut es aus mit dem Bürgerhausdach? Hallenbad? Den Schulen? Da ist schon noch jede Menge Platz für die Stadt selbst etwas zu tun!
Wir müssen in Viernheim mehr regenerative Energien nutzen! Wie die Stadt und das Brundtlandbüro das schaffen, ist letztendlich unerheblich – nur klappen muss es! Wie das mit den jetzigen Schwerpunktmaßnahmen für 2022 gehen soll ist mir ein Rätsel. Im Brundtlandbüro arbeiten 5 Menschen hauptamtlich. Mit diesem Personal muss doch mehr gehen als eine Kampagne (!) zur Nutzung der Sonnenenergie und etwas Werben für Radfahren als Schwerpunkt für 2022?
Um wieviel Prozent werden wir den Anteil der regenerativen Energien durch diese Kampagne wohl steigern können? 10? 20? 30 Prozent? Wie viele der rund 10.000 Menschen, die außerhalb Viernheims zur Arbeit gehen, werden wohl aufs Rad umsteigen in 2022? Solche Überlegungen hätte man sich sicherlich gemacht, wenn der Klimawandel drängt und man sich genau die Maßnahmen wählt, die kurzfristig die größte Wirkung erzielen. Da darf man gespannt sein, auf die beiden Kampagnen! Ich bin es vor allem auf die Ergebnisse.
Wie wäre es mit dem Ziel, bis Ende des Jahres 2022 alle öffentlichen Gebäude mit PV-Anlagen zu versehen. Das wäre mal was! Welche Auswirkungen hätte das wohl, wenn die Stadt derart konsequent voran geht? Auf die Glaubwürdigkeit der Stadt? Auf die Bürgerinnen und Bürger? Auf die Wirkung in den Nachbarstädten? Und auf den Klimawandel? Ja, das wäre mehr Arbeit als die Vergabe zweier Kampagnen an Marketingagenturen, aber es bewegt ungemein!
Klein-Klein ist schön und gut, aber damit erreichen wir die Klimaziele nicht! Punkt! Wir verschwenden nur Zeit! Die heute Verantwortlichen sind irgendwann im Ruhestand und unsere Kinder und Enkel schlagen sich herum mit Ernteausfällen, Wassernot, Hochwasser, Starkregen, Hitzeperioden und ähnlichem. Die heute Verantwortlichen werden dann mit den Schultern zucken und sagen: „Wir haben getan was wir konnten!“. Wenn wir es gut mit unseren Kindern und Enkeln meinen, sollten wir genau das jetzt korrigieren! Können wir nicht oder haben wir uns nur nicht machen getraut?
Wolfram Theymann
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